Ihr lieben Leute, gebet Acht
1. Ihr lieben Leute, gebet Acht,
Ein Schalk hat sich ein Lied erdacht,
Spricht: Freiheit, schönstes Mägdelein,
Sag’ an, wer mag dein Vater sein?
Du bist so hehr, so stolz gesinnt,
Fürwahr, bist keines Lumpen Kind!
„Ja, ja,“ so spricht die Maid dazu:
„Mein Vater ist auch mehr als du.“
2. Der Kaiser ist ein großer Mann,
Dem flickt die Polizei nichts an,
Der fährt so stolz und hoch daher,
Dein Vater ist’s, bei meiner Ehr!
„Ha!“ lacht die Maid, „du armer
Wicht!
Ein Kaiser ist mein Vater nicht.
Ich könnt’ als Kaisers
Töchterlein,
Prinzessin und nichts weiter sein.“
3. So glaub’ ich denn, bei meiner
Treu’!
Daß gar der Pabst dein Vater sei;
Ein Herr von Erd- und Himmelreich,
Ja, ja, der sieht dir eher gleich.
„Nein, nein, und kommt das Weltgericht,
Vom Pabste kommt die Freiheit nicht!
Mein Vater schickt nicht Bann und Schrei,
ist keines Priesters Conterfei.“
4. So hat Gott selber dich gemacht,
Wo hab’ ich Narr auch hingedacht.
Stolz spricht die Maid: „das Wort war gut;
Was schiert mich Pabst- und Kaiserhut?
Ich bin den Mächtigen der Welt,
Als Gottes Engel hingestellt;
Und hören sie mein Rufen nicht,
So halt’ ich selbst das Weltgericht.
Geschichte / Kommentar:
Das Lied des Vereinsmitglieds W. Steinhäusers
Lied „Ihr lieben Leute, gebet Acht" nach der Melodie
„Held Friedrich zog mit seinem Heer" (Lied Nr. 116),
erinnert an Lieder ähnlicher Art, in denen der Stand mit Adel und
Kirche verglichen wird. Am Schluss ist natürlich der hier nicht
explizit erwähne Arbeiterstand, hier sogar in göttliche
Nähe gerückt, das einzig Wahre. Hier berechtigt es gar dazu
das „Weltgericht" zu halten.
Es gehört zu den 17 Liedern, die aus dem
„Liederbuch für Handwerker-Vereine“ von 1848 nach der
Neugründung aussortiert wurde.
Quellen:
Liederbuch für Handwerker-Vereine, Zweite
vermehrte Auflage, Hrgg. v.d. Berliner Handwerker Verein,
Johannisstraße 4, Druck und Verlag von Eduard Krause, Berlin
1848,
Der Sänger. Neuestes und vollständigstes
Liederbuch für das deutsche Volk, Verlag und Druck von F. W.
Rietak, Neue Friedrichs-Str. 34, Berlin o.J. Nr. 282, S. 186f.