Frisch auf, Cameraden!
1. Frisch auf, Cameraden, in Reih’ und
Glied!
Die Freiheit gilt’s zu erstreben.
Für die wahre Freiheit das Herz uns
glüht,
Ihr gilt unser Sein, unser Leben;
Denn die Freiheit, die uns nicht den Hunger
stillt,
Ist doch nur ein elendes Truggebild’!
2. Was nützet uns Bildung, Gesittung und
Kunst?
Wir können uns dessen nicht freuen!“
Für uns ist das Alles nur eitler Dunst
Und die Reichen nur, die sind die Freien.
Für uns wird die Freiheit erstickt durch den
Fluch,
Der uns Arbeiter fesselt am Hungertuch.
3. Wie herrlich das klinget: „Die Arbeit ist
frei!“
Paßt diese mir nicht, such’ ich
and’re.
Verkauf meinen Bettel und schlafe auf Streu,
Mit den Meinen im Land ’rum wand’re.
„Ach Gott! fleht mein Weib, geh’ nur
wieder in’s Joch!“
Denn Hunger thut weh, die Freizügigkeit hoch!
4. Die heut’ge Presse ist auch schon recht,
Wer Geld hat, kauft sich Lit’raten,
Zu jedem ehrlichen Handwerk zu schlecht,
Zur Schwindelei prächtig gerathen!
Wir kennen die „Jammerknaben“ ja
schon,
Soldknechte sind’s vom Entbehrungslohn.
5. Das Vereinsrecht ist unser Palladium,
D’rauf wollen die Zukunft wir bauen!
Vereinsrecht, ja wohl, für das
Bürgerthum,
Auch für Bildung und Arbeit der Frauen!
Doch kommt ihr gar mit dem Arbeiterverein -
„Nein um Gotteswillen!“
schreit’s Bürgermeisterlein.
6. So zwackt man uns hinten, so zwickt man uns
vorn
Und die sind die Doppelgeplagten,
Die auf sich luden der Herren Zorn,
Weil frei sie zu reden wagten,
Fabrikherr, Meister und Lohnschreiberlein,
Woll’n alle Großinquisitoren sein.
7. Drum Tausende, die ihr heimlich grollt,
Kein Flennen hilft euch, kein Klagen!
Und wenn ihr was Rechtes ersparen wollt,
Müßt Euern Groll Ihr zusammentragen:
Das wird dann ein Haufe wie Babylonsthurm!
Wehe denen die drunter im kommenden Sturm.
8. Und kommen wird er mit Allgewalt,
Daß die Mächtigen knechtisch erzittern,
Als käme es über den Erdkreis gewalt
Gleich brausenden Ungewittern!
Und wer ist’s, wer mäht die reife Saat?
’s ist Jeder, der nichts zu verlieren hat!
9. Drum auf, Cameraden in Sturmesweh’n
Die Freiheit sie muß uns doch werden!
Die Freiheit begründet auf’s
Wohlergeh’n
Der ganzen Menschheit auf Erden,
Die Freiheit, die Allen den Hunger stillt,
Sei unser Ideal, unser Götterbild!
Geschichte / Kommentar:
Der Autor dieser Parodie auf Schillers
„Wohlauf, Kameraden, aufs Pferd“ ist unbekannt. Das Lied
stammt aus den 1870er Jahren, befindet sich aber noch 1891 in dem
Liederbuch von Max Kegel.
Quellen:
Johann Most, Neuestes Proletarier-Lieder-Buch von
verschiedenen Arbeiterdichtern, 3. verbesserte Aufl., Druck und Verlag
der Genossenschafts-Buchdruckerei Lindenstraße Nr. 9, Chemnitz
1873, Nr. 8.
Gustaf Linke, Zeitgem. Volkslieder, Dresden 1872,
Nr. 4.
Most’s Proletarier-Liederbuch. In
fünfter Auflage zusammengestellt und herausgegeben von Gustav
Geilhof in Chemnitz, 1875, Nr. 7.
Max Kegel’s Sozialdemokratisches Liederbuch,
(3. Aufl.) Stuttgart 1891, Nr. 35.
Spätere Aufarbeitungen:
Inge Lammel, Peter Andert, Und weil der Mensch ein
Mensch ist, Dortmund 1986, Nr. 53 S. 84