Freiheit, die ich meine.
1. Freiheit, die ich meine,
Die mein Herz erfüllt,
Komm’ mit deinem Scheine,
Süßes Engelsbild!
Magst du nie dich zeigen
Der bedrängten Welt
Führest deinen Reigen
Nur am Sternenzelt?
2. Auch bei grünen Bäumen
In dem lust’gen Wald,
Unter Blüthenträumen
Ist dein Aufenthalt.
Ach, das ist ein Leben,
Wenn es weht und klingt,
Wenn dein stilles Weben
Wonnig uns durchdringt!
3. Wenn die Blätter rauschen
Süßen Freundesgruß,
Wenn wir Blicke tauschen,
Liebeswort und Kuß.
Aber immer weiter
Nimmt das Herz den Lauf!
Auf die Himmelsleiter
Steigt die Sehnsucht auf.
4. Aus den stillen Kreisen
Kommt ein Hirtenkind,
Will der Welt beweisen,
Was es denkt und minnt.
Bleibt ihm doch ein Garten,
Reicht ihm doch ein Feld
Auch in jener harten
Steinerbauten Welt.
5. Wo sich Gottes Flamme
In ein Herz gesenkt,
Das am alten Stamme
Treu und liebend hängt:
Wo sich Männer finden,
Die für Ehr’ und Recht
Muthig sich verbinden,
Weilt ein frei Geschlecht.
6. Hinter dunklen Wällen,
Hinter ehr’nem Thor
Kann das Herz noch schwellen
Zu dem Licht empor.
Für die Kirchenhallen,
Für der Väter Gruft,
Für die Liebsten fallen,
Wenn die Freiheit ruft.
7. Das ist rechtes Glühen,
Frisch und rosenroth!
Heldenwangen blühen
Schöner auf den Tod.
Wolltest auf uns lenken
Gottes Lieb’ und Lust,
Wolltet gern dich senken
In die freie Brust.
8. Freiheit, die ich meine,
Die mein Herz erfüllt,
Komm’ mit deinem Scheine,
Süßes Engelsbild!
Freiheit, holdes Wesen,
Gläubig, kühn und zart,
Hast ja lang’ erlegen
Dir die ächte Art.
2. Freiheit, die ich meine
1. Die Freiheit ist kein Königsweib
Mit goldgekrönter Stirne;
In Lumpen hüllt sie noch den Leib,
Die vielverstoßne Dirne.
Sie sitzet nicht im hohen Rat,
Der Worte macht statt Taten:
Die Freiheit schleicht auf ödem Pfad
Verlassen und verraten.
2. Sie ist auch keine Herrenmaid
Mit Rosen in dem Haare;
Die Freiheit geht, zum Kampf bereit,
Am Arm der Proletare.
Sie duldet keinen Heil’genschein,
Und mögt ihr sie auch tadeln:
Sie ist gemein und bleibt gemein
Und läßt sich nimmer adeln.
3. Nur seit es stets im Westen tagt,
Will sie französisch lernen;
Obwohl dies vornehm ist, behagt
Es nicht den Herrn mit Sternen.
Doch sie tragt hoch den schönen Kopf
Und ruft mit stolzem Blicke:
„Ein Untertan, das ist ein Tropf -
Vive, vive la république!“
Ludwig Pfau (1821-1894), Gedichte.
1849
Ludwig Pfau, Gedichte. 4., durchges. u. verm.
Aufl. Stuttgart 1889. S. 353
Geschichte / Kommentar:
Wird nach historischen Liedern des 19.
Jahrhunderts gefragt, wird zu erst, und manchmal ausschließlich
„Freiheit, die ich meine“ genannt. Max von Schenkendorf
(1783-1817) schrieb es 1813 durch den Eindruck der französischen
Besetzung. Karl Groos (1789-1861) vertonte es 1818 im Gefühl des
Vormärz.
Wie „Lützows wilde verwegene
Jagd“ fand es als Lieder der Befreiungskriege Eingang in weite
kreise der Bevölkerung. Im Rahmen der organisierten
Arbeiterbewegung übernahm es beispielsweise in den 1870 Jahren
Johann Most in sein Liederbuch auf.
Das Gedicht von Schenkendorf hat 15 vierzeilige
Strophen. Böhme schreibt dazu: „Von 15 vierzeiligen Strophen
sind 5 minderwerthige weggelassen.“
In den Liederbüchern der organisierten
Arbeiterbewegung ist das Lied in der Regel mit 5 Strophen
übernommen worden.
In der Regel wurden die Strophen vier und sechs
nicht übernommen und einige Worte geändert. So z. B.
[4] 5,1 = Wo der
Freiheit Flamme
6 [8]: 6/6 = Treu und
kühn und zart; 6/8 = Dir die deutsche Art,
Mit gleicher Anfangszeile schrieb 1849 Ludwig Pfau
(1821-1894) auf die Ziele der 1848-Bewegung:
Quelle:
Max v. Schenkendorf vor 1813. Von 15 vierzeiligen
Strophen sind 5 minderwerthige weggelassen.
Ludwig Pfau, Gedichte. 4., durchges. u. verm.
Aufl. Stuttgart 1889. S. 353
Johann Most (erste Auflage vor 1873), S: 44;
Johann Most, Neuestes Proletarier-Lieder-Buch von
verschiedenen Arbeiterdichtern. Gesammelt von Joh. Most, 3. verbesserte
Aufl., Chemnitz 1873, Druck und Verlag der
Genossenschafts-Buchdruckerei Lindenstraße Nr. 44.
Most's Proletarier Ldb. 5, (Gustav Geilhof; 18,75,
S. 32;
Max Kegel's Sozialdemokr. Ldb., 1891, S. 22 (Str.
1-3, 5, 7, 8);
Arbeiter-Liederbuch. 21. Auflage. New-York 1894,
41 (Str. 1-3, 5, 7, 8);
Max Kegel's Sozialdemokr. Ldb, (8. Aufl.),
Stuttgart, 1897, S. 25 (Str. 1-3, 5, 7, 8);
Beißwanger, Freie Klänge,
Nürnberg, ca. 1900, S: 13 (Str. 1-3, 5, 7, 8).
Franz Magnus Böhme, volksthümliche
Lieder der Deutschen, Leipzig 1895, Nr. 48, S. 39f. (Str. 1, 2, 5, )
Heinrich Scherrer, Studentenlieder zur Gitarre,
Leipzig 1911, S. 158f. (Noten)
(Heinrich Scherrer, Kgl. Bayr. Kammer-Virtuos)
Liederbücher von KPD, RFB oder RJ
Arbeiter-Kampfliederbuch. (Paul Schmidt), Berlin
Ca. 1930, S. 30;
Disco
Freiheit, die ich meine Reichsbanner-Gau-Kapelle +
Chor x 3.07 1:17.59
Unter dem Freiheitsbanner (Freiheit, die ich
meine) (Marsch von Oscheit) Polyphon-Orch m. Gesang (Verlag R.
Richter, Berlin) x Polyphon-Record Musica 2-27626 30998
2.56 38.14
Mögliche Aufnahmen zu „Freiheit, die
ich meine“:
1) Reichsbanner-Gau-Kapelle und Chor;
2) Polyphon-Orch m. Gesang (Schellackaufnahmen)
oder: 3) selber singen!