Warschawjanka
1. Feindliche Stürme durchtoben die
Lüfte,
drohende Wolken verdunkeln das Licht:
Mag uns auch Schmerz und Tod nun erwarten,
gegen die Feinde ruft auf uns die Pflicht.
Wir haben der Freiheit leuchtende Flamme
hoch über unsern Häuptern entfacht:
Die Fahne des Sieges, der Völkerbefreiung,
die sicher uns führt in der letzten Schlacht.
Auf, auf nun zum blutigen, heiligen Kampfe,
bezwinge die Feinde, du Arbeitervolk:
Auf die Barrikaden, auf die Barrikaden!
Erstürme die Welt, du Arbeitervolk!
2. Tod und Verderben allen Bedrückern,
leidendem Volke gilt unsere Tat,
kehrt gegen sie die mordenden Waffen,
daß sie ernten die eigene Saat!
Mit Arbeiterblut ist gedüngt diese Erde:
Gebt euer Blut für den letzten Krieg,
daß der Menschheit Erlösung werde!
Feierlich naht der heilige Sieg.
Auf, auf nun etc.
3. Elend und Hunger verderben uns alle,
gegen die Feinde ruft mahnend die Not:
Freiheit und Glück für die Menschheit
erstreiten
; kämpfende Jugend erschreckt nicht der Tod.
Die Toten, der großen Idee gestorben,
werden Millionen heilig sein.
Auf denn, erhebt euch, Brüder, Genossen!
Ergreift die Waffen und schließt die
Reih’n.
Auf, auf nun etc.
Geschichte / Kommentar:
Den Text des Liedes soll Waclaw Swiecicki 1879 als
Gefangener in der Warschauer Zitadelle nach der Melodie des polnischen
„Marsch der Zuaven“ aus dem Jahr 1863 geschrieben haben.
1883 wurde der Text erstmals in der polnischen Presse abgedruckt.
Lammel/Andert weisen darauf hin, dass die Entstehung „in die Zeit
der Gründung der ersten revolutionären marxistischen Partei
Polens“ fällt.
In dem Heft „Lider der Partei“ mach
Inge Lammel darauf aufmerksam, dass „sowjetische Wissenschaftler
vermuten, daß die Melodie auf eine Klavierkomposition von N. N.
Ikonnikow zurückgreift“. Außerdem meint sie, dass das
Lied an den Gräbern der Revolutionsopfer von 1905 und 1917
erklungen sei und „eines der populärsten Lider der
russischen Leider gewesen sei.
Aufgrund des hymnenartigen Charakters bekam die
Warschawjanka internationale Bedeutung. In Deutschland wurde das Lied
in deutscher Übersetzung in der Zeit der Weimarer Zeit meist zu
Trauerkundgebungen und Beerdigungen im Umfeld der KPD gespielt und wird
daher auch als „russischer Trauermarsch“ tituliert.
Die beiden kommunistischen Liederbücher
„Rot Front. Das neue Liederbuch mit Noten“ aus dem Jahr
1927 (Nr. 8, S. 16) und „Mit Gesang wird
gekämpft’!“ von 1928 berichten von einem Liedverbot
(„Text vom Reichsgericht der deutschen Republik verboten“),
was in einem sonderbaren Widerspruch zu der gleichzeitigen
Übernahme des Liedes in den Jahren 1928/29 von
sozialdemokratischen Liederbüchern steht. Auch hier gilt, es
müsste noch einmal geklärt werden, ob das Lied
tatsächlich verboten wurde, oder ein besonderer, vielleicht
vermeintlicher, Grund für die deutschen Behörden vorlag, da
es in die Zeit fällt, die mit einer verstärkten
Aufstandsvorbereitung der KPD bzw. theoretischen Gedankenspielen
darüber zusammenfällt
In neuerer Zeit wurde die Warschawjanka z. B. als
Filmmusik zu Beginn des Filmes „der Schakal“ eingesetzt.
Quellen:
Die Liederbücher von KPD, KJVD und RFB
Kampflieder. FSJ, Verlag Junge Garde (21.-40.
Tsd.), S. 5
Kampfgesang. Proletarische Freiheitslieder, Berlin
(KAPD), 1921. S. 33;
Mit Gesang wird gekämpft’!, 1922, S. 3;
Kampflieder, VIVA, 1923, S. 8;
Mit Gesang wird gekämpft’!, 1924, 21.
bis 30. Tausend, Verlag „Junge Garde“ Berlin O 17, S. 13;
Rot Front. Neues Kampf-Liederbuch, Berlin 1925,
Nr. 23, S. 38f.;
Zum roten Sturm voran. Kampfliederbuch, Berlin
1926, Nr. 23, S. 38f.;
Rot Front. Das neue Liederbuch mit Noten, 1927
(Verlag Junge Garde, Berlin) - Verboten
Nr. 8, S. 16 Noten ohne Text , S. 17: Text vom
Reichsgericht der deutschen Republik verboten.
Mit Gesang wird gekämpft’!, 1928 - Verboten
Arbeiter-Lieder (ca. 1929), Eine Sammlung
proletarischer Kampflieder, Wander-, Volks- und heiterer Lieder.
– Wien: Grünberg, 94 S. [Lammel, Biblio. Nr. 4040, S. 67
[wie Nr. 359 ], Nr. 22, S. 11;
Arbeiter-Lieder (ca. 1930), KJVD, Verlag Junge
Garde: Hermann Remmele, Berlin
Arbeiterlieder. Unter roten Fahnen. Kampflieder,
ca. 1930 (Lammel Nr. 428)
Liederbücher der SPD zwischen 1918 und 1933
August Albrecht, Arbeiter- und
Freiheits-Liederbuch (Arbeiterjugend-Verlag), Berlin 1928, S. 21;
August Albrecht, Jugend-Liederbuch, Hrsg. Verband
der Arbeiterjugend-Verein Deutschlands, Berlin, 1929, S. 20;
spätere Zusammenfassungen:
61a = Inge Lammel, Lieder der Partei, Berlin 1961,
Nr. 4, S. 13f.
61b = Berger/Lammel, Lieder des RFB (Das Lied im
Kampf geboren, Heft 8), Leipzig 1961
Lammel, Das Arbeiterlied, Ffm 1980, S. 105:
Lammel/Andert, Und weil der Mensch ein mensch ist,
Dortmund 1986, S. 70, Nr. 40:
Inge Lammel, Lieder der Arbeiter-Jugend. Das Lied
im Kampf geboren Heft 5, Leipzig 1960