Arbeiterliedarchiv
Lancken
Zünftiges Wanderlied
1. Es, es, es und es,
es ist ein harter Schluß
weil, weil, weil und weil
weil ich jetzt wandern muß,
ich war schon lang in dieser Stadt
und hab das Nest zum Kotzen satt.
Ich will mein Glück probieren,
marschieren!
2. Er, er, er und er,
Herr Meister nun ade!
Ich, ich, ich und ich,
Ich mache Schicht und geh’
Ich sag es ihm frei ins Gesicht,
sein Arbeit die gefällt mir nicht,
Ich will mein Glück probieren,
marschieren!
3. Sie, sie, sie und sie
Frau Meisterin ade!
Zu, zu, zu und zu,
Zu wenig gab’s Kaffee.
Sie hat es schon so eingericht,
daß jeder bloß zwei Tassen kriegt
Ich will mein Glück probieren,
marschieren!
4. Du, du, du und du,
Du Mädchen weine nicht!
Wenn, wenn, wenn und wenn,
Wenn schier das Herz auch bricht,
wir haben uns geherzt, geküßt,
probier’s, wie’s mit ‘nem andern
ist.
Ich will mein Glück probieren,
marschieren!
5. Ihr, ihr, ihr und ihr,
Die ihr nicht mit mir zieht,
singt, singt, singt und singt,
singt mir das letzte Lied,
folgt mir bald aus dem Krauterloch
und grüßt die zünft’gen
Brüder noch.
Ich will mein Glück probieren,
marschieren!
6. So, so, so und so,
So geht es durch die Welt,
das, das, das und das
das Fechten bringt mir Geld.
So lang ein Heller meine ist,
mich auf der Straß’ kein Hund
bepißt
Ich will mein Glück probieren,
marschieren!
7. Und, und, und und und
Und wird auf mich zuletzt
Auch, auch, auch und auch,
auch mal ein Hund gehetzt,
Dem Kerl setz auf den Türenknauf
ich Nachts was warmes weiches drauf,
Ich will mein Glück probieren,
marschieren!
8. Ich, ich, ich und ich,
Ich fahr’ nicht aus dem Haus, -
Plagt, plagt, plagt und plagt,
Plagt mich auch manche Laus.
Wonach der Herbergsvater spüret
und mich auf ein Bund Stroh plazieret
Ich will mein Glück probieren,
marschieren!
9. Die, die, die und die,
Die Arbeitslust erlosch -
Die, die, die und die,
Die Arbeit ist kein Frosch! -
Sie huppt mir „Weiß Gott“ nicht
davon.
Es grault mir, träum ich nur davon.
Ich will mein Glück probieren,
marschieren!
10. Und, und, und und und,
Und so sterb’ ich an der Straß’
deckt, deckt, deckt und deckt,
Deckt mich doch einst das Gras.
Und krieg ich keinen Leichenstein,
so wand’r ich doch zum Himmel ein.
Ich will mein Glück probieren,
marschieren!
Quellen:
1. Hans Ostwald, Lieder aus dem Rinnstein,
Leipzig und Berlin 1904 (Bd. 2, S. 27f), (2.3.21)
Erkl.: Bd. 2, S. 28: In kürzerer
Fassung in früheren Sammlungen, wird in der vorliegenden von
Handwerkern gesungen, von A. L. mitgeteilt.
Volkslied. Noten in: Bd. 3, S. 124 (A11)
Geschichte / Kommentar:
Das Lied vom Abschied eines Handwerksburschen und
dessen Abrechnung mit (dem Personenkreis) seiner letzten Arbeitsstelle
ist in ähnlicher Form seit ca. 1830 belegt. In einer älteren
Fassung aus dem 18. Jahrhundert („Ach, ach, ach und ach, ach wie
ein harter Schluß“), die sich bis auf fliegende
Blätter aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts
zurückverfolgen läßt, handelt es sich um eine reines
Abschiedslied. Während die „neuere“ Form des Liedes
teilweise gedeutet werden könnte, daß sich der
Handwerksbursche lediglich das erneute Wandern schmackhaft machen
möchte, zeugen viele Variatnen von einem aufmüpfigen,
teilweise revolutionären Geist.
Einige Fassungen beginnen mit „Raus, raus,
raus, aus … muß ich raus“ und setzen damit die vierte
Strophe des älteren Abschiedsliedes an den Anfang. Die Sänger
wollten damit anfänglich vermutlich demonstrieren, daß sie
von den revolutionären Turbulenzen der Ereignisse der Jahre
1848/49 geprägt waren. Dort hatte das „Raus“ eine
politische Wendung bekommen. So heißt es z.B. in den Liedern
„In dem Krerker saßen“ und „Wenn die
Fürsten fragen“ „Raus, raus Revolution“.
Während die Bedeutung des doppelten, teilweise bereits dreifachen
„Raus“ bei jenen Liedern durch die Präsenz im Kehrreim
(Refrain) signalisiert wurde, sollte es dies bei unserem Lied mit der
Verschiebung in die erste Strophe tun.
Die früheste Fassung eines Liedes mit dem
„Raus“-Beginn ist bei Schade 1864 abgedruckt. Ein Jahr nach
dieser Weimarer Fassung ist aber auch der früheste Beleg des
Liedes „33 Jahre“ aus Wien bekannt in dem der
„Raus“-Refrain enthalten ist. Das zeitliche Zusammentreffen
dürfte kaum zufällig gewesen sein.
Eigenartiger weise befinden sich in der
„revelutionärer“ anmutenden „Raus“-Fassung
häufiger Verfremdungen und Adaptionen anderer Liedthemen. Manchmal
verbindet es sich plötzlich mit der Bettelvogtgeschichte
(„Ich war noch so jung“: DAV 164561, Thüringer Archiv
1939; Das Bauhandwerk im Lied Nr. 37, S. 52), dann wieder mit Passagen
aus „Lustig, lustig ihr lieben Brüder“ („Unser
Handwerk ist verdorben, die besten Saufbrüder sind
gestorben“, Bauhandwerkerliederbuch „Wanderlust“,
1921 u. SH-Ledb., S. 151).
Das „Raus“-Motiv erlebte häufige
Veränderungen. Die Palette reicht von „Naus“,
„Heraus“ bis „Rautsch“ oder nur
„Rau“. Äuérst bieder kommt eine
„Raus“-Fassung daher, in der es weiter heißt:
„Der liebe Gott bewahre den Krauter und sein Haus“.
Außerdem existiert eine Fassung des
„Raus“-Liedes mit einer völlig anderen Melodie.
Die vorliegende Fassung aus der Zeit zum Ende des
19. Jahrhunderts stammt von Hans Ostwald und kommt der trotzigen
Auffassung eines Kunden am nächsten, der bereits eines Weile auf
der Wanderschaft war - möglicherweise zu lange.
Weitere Versionen nach Oskar Schade, Handwerkslieder, Leipzig / Königsberg 1864, S.
149-155:
Abschied.
1. Es es es und es
Es ist ein harter Schluß
Weil, weil, weil und weil
Weil ich aus Frankfurt muß.
So schlag ich Frankfurt aus dem Sinn
Und wende mich Gott weiß wohin
Ich will mein Glück probieren,
Marschieren
2. Er er er und er,
Herr Meister, leb er wol!
Ich sags ihm grade ins Gesicht
Seine Arbeit die gefällt mir nicht
Ich will mein Glück probieren,
Marschieren.
3. Sie sie sie und sie
Frau Meistrin leb sie wol!
Ich sags ihr grade ins Gesicht
Ihr Speck und Kraut das schmeckt mir nicht
Ich will mein Glück probieren,
Marschieren.
4. Sie sie sie und sie
Jungfer Köchin, leb sie wol!
Hätt sie das Eßn bßr angericht,
So wär ich auch gewandert nicht
Ich will mein Glück probieren,
Marschieren.
5. Sie Sie Sie und Sie
Herr Vater, leben Sie wol!
Sie haben mit doppelter Kreide geschrieben,
Sonst wär ich noch länger in Frankfurt
geblieben.
Ich will mein Glück probieren,
Marschieren.
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