Drum sag der SPD ade…
Ein neues Kampflied
Hallo! Was kommt die Straße lang mit
tausendfachem Schritt?
Und nebenbei und mittenmang die ganze Schupo mit!
Hallo! Warum bebt so dabei der
Hindenbürgerstaat?
Proleten sind’s! Die Straße frei
für’s Proletariat!
Sie kommen vom Wedding, Neukölln, Moabit,
aus allen Bezirken und singen das Lied:
1. Refrain.
Berlin bleibt rot! Berlin bleibt rot!
Berlin gehört den Massen! Berlin bleibt rot!
Wir werden’s nie den Hindenbürgern
lassen!
So sicher wie du stehst,
Berlin, am grünen Strand der Spree,
:,: so sicher wirst du rot,
so rot wie unsere KPD! :,:
„Die Schule“, sagt der Zentrumsmann,
„bleibt schwarz um jeden Preis!“
Herr Stresemann trägt dann und wann
als Friedensengel weiß!
Es bleibt die Bonzenpolitik schamrot –
das tut ihr not! –
So wird die gold’ne Republik ganz sachte
schwarz-weiß-rot!
Das richtige Rot hat nur eine Partei,
drum wählt Kommunisten, es bleibt dabei.
1. Refrain.
Hallo! Was kommt die Straße lang mit fest
gefasstem Schritt?
Rot Front marschiert! Und mit Gesang Berlins
Proleten mit.
Rot-Front-Verbot! Schreit Keudells Haß,
doch hat er’s nicht gekonnt.
Rot Front marschiert und pfeift ihm was,
wir rufen mit: Rot Front!
Ihr wisst, daß Zörgiebel und Keudell
paktier’n,
und wenn sie verbieten: Rot Front wird
marschier’n!
2. Refrain.
Berlin bleibt rot! Berlin bleibt rot!
Berlin wird immer röter! Berlin bleibt rot!
Trotz Stahlhelm und trotz Amnestieverräter!
Genosse, laß den Bonzen sein, du weiß
ja, wie er ist,
:,: drum sag’ der SPD ade und werde
Kommunist! :;:
Geschichte / Kommentar:
Berger/Lammel zufolge
entstand das Lied von Winter und Eisler anläßlich der
Reichstagswahlen vom Ende Mai 1928. Als Flugblatt sei es zum 1. Mai
„unter den Demonstranten verbreitet“ worden. Berger/Lammel
sehen es als „Protest gegen das von Keudell angestrengte
RFB-Verbot“.
Liest man den Text genau, kann man auch zu dem
Eindruck gelangen, dass dieses Lied das Verbot eher beschleunigt haben
dürfte, zumal das ja bekanntlich ein Jahr später kam. Das
Lied dokumentiert aber einige andere DInge. Es zeigt auf, dass im Mai
1928 als Gegner der KPD in erster LInie die SPD und dann noch der
Stahlhelm genannt wird - von der NSDAP oder der SA ist keine Rede und
dass, obwohl der Begriff „Faschismus“ in jener Phase eine
immer größere Rolle spielte.
Quellen:
Erstes Lied in dem Liederheft
„Arbeiter-Kampfliederbuch (Verantwortl. Paul Schmidt). –
Berlin)
[Laut Inge Lammel, Bibliographie der deutschen
Arbeiterliederbücher 1833-1945, Leipzig 1977, S. 68f. Nr. 411, auf
um 1930 taxiert],
Berger/Lammel, Lieder des RFB (Das Lied im Kampf
geboren, Heft 8), Leipzig 1961, S. 85ff.