Wir Männer in der Bluse
Eigene Melodie
1. Die Menschen, die nur im Genuß
Das Licht des Tages schau’n;
Wer schafft für sie den Ueberfluß
Schon früh beim Morgengrau’n?
Wer läuft für sie, wenn Sturm und Wind
Entblättert Laub und Baum?
Und darbt für sie mit Weib und Kind
Daheim im dumpfen Raum?
Wir Männer in der Bluse sind’s
Im Herzen treu und schlicht,
Die wir für nur geringen Lohn
Erfüllen schwere Pflicht.
2. Der Prasser ruht auf weichem Pfühl;
Wer baut ihm den Palast?
Nur Lust und Freuden sind sein Ziel.
Wer schafft sie ohne Rast?
Wer pflanzt ihm Wein und backt ihm Brot
Zu seinem Lustgelag‘,
Und zimmert ihm nocht, wenn er tot,
Den gold’nen Sarkophag?
Wir Männer in der Bluse sind’s
Im Herzen treu und schlicht,
Die wir für nur geringen Lohn
Erfüllen schwere Pflicht.
3. Wem in der Arbeit heißem Drang
Erbleicht die Wange fahl?
Wer mühet sich sein Leben lang
Nur voller Not und Qual?
Wer aber ohne allen Harm
Wirkt dennoch frisch und froh,
Und stürbe er auch bettelarm,
Gelagert einst auf Stroh?
Wir Männer in der Bluse sind’s
Im Herzen treu und schlicht,
Drum hoffen wir und rufen wir:
„Vorwärts für Recht und
Licht!“
Geschichte / Kommentar:
Das Lied ist in unserem Archiv nur in wenigen
Liederbüchern enthalten. Zuerst im
„Arbeiter-Liederbuch“ von 1894 aus New-York (Nr. 22, S.
26). Ein Autor wurde nicht genannt.
Im „Arbeiterliederbuch für Alt und Jung
und als Melodiehinweis stand nur
„eigene“.
Nach dem Ersten Weltkrieg fand es um 1920 und
später 1928/29 wieder Beachtung.
Über Hinweise wären wir dankbar.
Bei Karl Frenkels, „Arbeiterliederbuch
für Alt und Jung“ wird immerhin ein Komponist genannt: Weise
von Frodschus)
Brigitt Emmrich bringt in ihrer Arbeit über
Erich Ehrhardts Liedrepertoire, dessen Version, die nur
geringfügig abweicht (z. B. 3. Str. letzte Zeite: Vorwärts
durch Nacht zum Licht!).
Eine weitere Info hat einen anderen Verfasser und
Komponisten, so zitiert Wolfgang Steinitz den Zeitzeugen Erich
Ehrhardt, der zu dem Arbeiterlied Wir
Männer in der Bluse sind's: sagte,
„Gedichtet und komponiert von meinem Großvater, dem
Eisendreher Robert Hermann Ehrhardt, geb. 1834 in Chemnitz, verst.
1900“. (Bd. II, S. XXXI)
Quellen:
SPD 19. Jh.
Arbeiter-Liederbuch. Eine Sammlung
sozialdemokratischer Lieder und Deklamationen. Einunszwanzigste,
bedeutend vermehrte Auflage. New-York 1894, Verlag von Brausewetter
& Benedix, Alt-Bitamo, Druck von William Lehmann, 7. Avenue 596.,
Nr. 22, S. 26.
SPD nach 1918
August Albrecht, Jugend-Liederbuch, Berlin, 1919,
Nr. 6; August Albrecht, Jugend-Liederbuch, Berlin, 1929, Nr. 3; beide
Hrsg. Verband der Arbeiterjugend-Verein Deutschlands; August Albrecht,
Arbeiter- und Freiheits-Liederbuch (Arbeiterjugend-Verlag), Berlin
1928, S. 17; Karl Frenkel, Arbeiterliederbuch für Alt und Jung
(Hrsgg. v. d. 98. Abteilung Neukölln [RB?]), Berlin 1926, Nr. 8,
S. 10
KAPD
Kampfgesang. Proletarische Freiheitslieder, Berlin
(KAPD), 1920, S. 7; Kampfgesang. Proletarische Freiheitslieder, Berlin
(KAPD), 1921., S.81;
KPD
Mit Gesang wird gekämpft’!, 1928, S.
18.
Brigitte Emmrich, Das Liedrepertoire Erich
Ehrhardts (Volksgesang im 20. Jh.) in: Max Matter, Lied und
populäre Kultur. Jahrbuch des Deutschen Volksliedarchivs Nr. 45
Jahrg. 2000, S. 135f.