Spital

Spitäler stellten im 19. Jh. eine Mischform aus Altersheimen, Kranken- und Pflegehäusern dar. Das Wort leitet sich vom lateinischen „hospitalis“ [„gastfreundlich“] ab. Als „Hospitäler“ wurden seit dem Mittelalter Häuser bezeichnet, die sich dem o.g. Zweck widmeten und anfänglich mit einem Kloster oder Stift verbunden oder von einer Genossenschaften betrieben worden war und sich bis ins 19. Jh gehalten hatte. Mit der wachsenden Bedeutung der Städte und des Bürgertums entstanden zunehmend auch weltliche Bürgerspitäler. Ferdinand Hanusch hat 1907 ein Erlebnis beschrieben, das er mit Mitarbeitern eines Spitalts hatte:


„Im Spital.

Ein hoher Stachelzaun umfriedete einen großen Obstgarten, in dessen Mitte ein ebenerdiges, gelbgestrichenes Haus stand. Das Gartentor war gesperrt. Mein Kollege zog an der Glocke. Nach einer Weile erschien eine ältliche Nonne mit mürrischem Gesichte, schielenden Augen und harter Stimme.

„Was wollen Sie?“

„Der junge Mann auf meinem Rücken ist sterbenskrank, er muß in’s Spital, wenn er nicht auf der Straße zugrunde gehen soll.“

„Wir haben keinen Platz,“ war die kurze Antwort. Sie drehte sich um und verschwand eiligst hinter der Tür, die sie krachend ins Schloß schlug.

„Verfluchte Bande, scheinheilige!“ stieß mein Kollege hervor.

Er war soeben im Begriff, mich auf der Steinbank, die vor dem Gartenzaun stand, niederzulassen, da trat ein Wachmann zu uns.

„Was gibt es da?“

„Das sehen Sie ja. Krank ist der arme Teufel, da wollte ich ihn ihns Spital bringen. Aber ich glaube, hier kommt eher ein Teufel in die Kirche, als ein Kranker in’s Spital.“

„Wo haben Sie Ihre Papiere?“

„In der Tasche.“

Der Wachmann wurde rot vor Wut.

„Sehen will ich sie!“ schrie er wild auf.

„Das ist etwas anderes. Wenn Sie das gleich gesagt hätten, so hätte ich mir die Red’ erspart. Er griff in die Tasche, zog einige abgerissene, schmutzige Blätter hervor, die er dem Polizisten übergab.

„Sie gehen mit,“ sagte er, nachdem er einen Blick in dieselben geworfen.

„Was ist mit Ihnen?“

Diese Anrede ging mich an.

„Der ist krank.“

„Sie habe ich nicht gefragt. Sie haben ruhig zu sein!“

Ich übergab ihm mein Arbeitsbuch.

„Sie gehen auch mit. - Vorwärts!“

Mein Kollege lachte laut auf - ich blieb auf der Bank sitzen.

„Vorwärts! - Vorwärts!“ schrie der Mann des Gesetzes schäumend vor Wut.

„Ich gehe schon mit,“ sagte mein Kollege lachend, „aber wenn Sie den da mithaben wollen, so müssen Sie ihn auf den Buckel nehmen, der Mann kann nicht gehen.“

Der Polizist wurde verlegen.

„Wie ist er denn da hergekommen?“

„Auf meinem Buckel.“

„Dann tragen Sie ihn jetzt auch!“

„Fällt mir gar nicht ein. Einem Kranken beizustehen, ihm Pflege und Obdach zu verschaffen, das ist Menschenpflicht. Leute einzusperren, dazu sind die Polizisten da, denen ich nicht ins Handwerk pfuschen will.“

Der Polizist mochte wohl einsehen, daß er es mit einem geriebenen Kunden zu tun habe, der sich durch Grobheit nicht einschüchtern ließ. Einem Handwerksburschen als Lasttier zu dienen, das konnte er nicht tun, ohne die Würde seines Amtes zu verletzen. Was sollte er also tun? Eine Weile stand er sinnend da, dann schien ihm ein rettender Gedanke gekommen zu sein, er riß an der Glocke des Spitals.

Abermals erschien die Nonne.

„Bitte die Güte zu haben und den Burschen ins Spital aufzunehmen, er ist für den Transport unfähig.“

Der rohe Ton, den er uns gegenüber angeschlagen, war verschwunden, fast bittend brachte er sein Verlangen vor.

Auch die Nonne war wie umgewandelt.

„Es ist halt schwer, die Betten sind alle belegt, man weiß nicht, wo man ihn hinstecken soll.“

„Der ist nicht verwöhnt, es wird sich schon ein Plätzchen finden.“

Die Nonne öffnete das Tor, der Polizist suchte die Dokumente und übergab ihr mein Arbeitsbuch.

Während er dasselbe überreichte, riß ihm mein Kollege seine Papiere aus der Hand, machte einige lange Sätze und verschwand in dem nahen Walde.

„Verfluchte Bestie!“ schrie der Polizist auf. Von einer Verfolgung stand er ab, da ihm der Wald wahrscheinlich zu gefährlich schien. Fluchend stampfte er der Stadt zu, während ich, gestützt auf den Arm der Nonne, über den knirschenden Kies hinkte.

Ich betrat eine große, niedrige Stube, aus der mir eine schlechte Luft entgegenschlug. Die kleien vergitterten Fenster in den dicken Mauern sahen aus wie Schißscharten.

In diesem Raume waren die Kranken und die Armenhäusler gemeinsam untergebracht.

Einige alte, halbblinde Frauen mit furchigen Gesichtern saßen in den Winkeln herum und starrten mich beim Eintritt finster an. Sie kamen mir wie Eulen vor, die in einer Ruine hausten und sich vor dem Tageslichte scheu in die dunkelsten Ecken verkrochen. Einge Kranke stöhnten von Zeit zu Zeit schmerzlich auf, andere wurden von einem schweren, hohlen Husten arg durchschüttelt.
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