KPD (6)
Vom „Blutmai“
(1929) zum „Altonaer Blutsonntag“
(1932)
Auf ihrem 12. Reichsparteitag
in Berlin-Wedding im Juni 1929 erklärte die
KPD den Kampf gegen den
„Sozialfaschismus“ der SPD zu einem
Hauptgegner. Sie gründete auf allen Gebieten
wie Sport, Gesang usw. eigene Organisationen. Doch
auch auf dem paramilitärischen Gebiet
unternahm sie mehrere Versuche.
Nach dem Verbot des RFB wurde
die Agitation teilweise von der Partei
übernommen. Die organisierung
paramilitärisch agierender Gruppen gab es
relativ schnell wieder.
RFB und seine
Nachfolgeorganisation (März 1929 - März
1933)
Nach dem Verbot von RFB, RJ
und Roter Marine vom 3. Mai 1929 mit Wirkung
vom 6. Mai 1929 wurden die drei Verbände
aufgelöst und ihr Vermögens
beschlagnahmt. Letzteres erwies sich als nicht
besonders erfolgreich. Die Hamburger Gauleitung
beispielsweise hatte bereits vor Bekanntwerden des
Verbots den Befehl erhalten, „ihre
Ausrüstungsstücke usw. entweder nach
Hamburg zu senden oder so zu verstecken, daß
sie den Zugriffen der Polizei entzogen
seien“. Außerdem sollten alle
Mitglieder des RFB bis zum Alter von 23 Jahren in
den K.J.V.D.“ überführt werden.
Kurzzeitig nahmen Rote Frontkämpfer auch
an den Veranstaltungen des „Roten Frauen und
Mädchenbundes“ teil.
In der Folge sollte der RFB
illegal tätig sein, wurde aber in der Praxis
zum symbolischen Demonstrationsobjekt degradiert.
So traten RFB-Kämpfer wiederholt uniformiert
auf um trotzig zu behaupten, dass der Kampfbund
„nicht zu verbieten“ sei.
Eine erste
RFB-Nachfolgeorganisation trat in Norddeutschland
anlässlich eines Parteitreffens der Kieler KPD
am 19. Mai 1929, erstaunlich früh
öffentlich in Erscheinung. (1) In blauen Hosen
und weißen Sporthemden mit rotem Schlips und
blauer Schirmmütze musizierte ab 14.00 Uhr auf
dem Vinetaplatz ein Roter
Marine-Verein Reichpietsch-Köbes (RMVRK) als Neuformierung der Roten Marine. Aus der gleichen Tradition trat Im
August in Hamburg eine Rote
Hochseewache in
Erscheinung. (2) In Kiel erhielt eine RFB-Abteilung
den Namen Wanderklub
Deutsche Eiche, der im
Juli 1929 zusammen mit dem Arbeiter-Schutzbund (ASB) eine
Versammlung durchführte.
Anm.:
1: LAS 301-4549/8, Pol.B
Grimpe, IPP 543-6, Schleswig, 23.5.1929 lt. Bericht
des Pol.PRÄS Kiel erstattet funktelegraphisch
unter dem 21.5.1929.
2: LAS 301-4549/21,
Anzeige gegen Karl Rokohl, Altona, 24.10.1929.
Der Norddeutsche
Arbeiter-Schutzbund (NASB)
In Altona wurde im Juni der Wanderverein Brüder zur Sonne, festgestellt, aus dem sich ca.
Mitte Juli 1929 der Norddeutsche
Arbeiterschutzbund
(NASB) entwickelte. (1)
Ortsgruppen des NASB, der zu diesem Zeitpunkt
teilweise nur ASB genannt wurde, gab es außer
in Kiel und Altona auch in Heide und Itzehoe.
Außerdem traten die ehemaligen RFB-Mitglieder
in Flensburg geschlossen in den ASB ein, und
die Bezirksleitung Wasserkante der KPD rief zur
Gründung von Ortsgruppen auf. (2) Die RJ wurde
in der Antifaschistischen
Jungen Garde fortgeführt.
(3)
Der NASB unternahm in der
kurzen Zeit seines öffentlichen Bestehens von
Juli/August bis zum Oktober 1929 eine rege
Tätigkeit mit Gründungs- und
Werbe-Veranstaltungen sowie allgemeinen
Kundgebungen. Neben Fahnenweihen (z.B. Wöhrden
am 18.8. oder Barmbek am 20.10) wurde auch
Landpropaganda (z.B. 13.10.1929) durchgeführt.
(HVZ v. 17.8.1929, S.4 u. v. 9.10.1929, S. 3.)
Werner Hinze nennt in seiner
umfangreichen Arbeit über die
Musikausübung des RFB Daten aus
Norddeutschland nach Informationen der
Staatsarchive Hamburg und Bremen, sowie des
Landesarchivs Schleswig mit Ergänzung aus den
Berichten der kommunistischen Volkszeitung (HVZ).
Danach sind 1929 Gründungen von ASB-Ortsgruppen nachweisbar aus St. Pauli
(16.08.), Wöhrden (17.08.),
Internationaler Seemannsklub (ohne Datum), Eilbek
(21.08.) Harburg-Wilhelmsburg (ohne Datum)
Flensburg (02.09.), Wedel (02.09.), St. Georg
(10.09.), Sektion Schiffahrt (14.09.), Gruppe
Liebknecht (14.09.), Antifaschistische Junge Garde
Ortsgruppe St. Pauli (17.09.), Geesthacht (20.09.),
Arbeiterschutzbund „Freiheit“,
Abteilung S. Georg (24.09.), Barmbek (09.10.) und
1930 „Sturmbrigade Budjonny“ (29.08.),
Kampfinternationale der Seeleute und Hafenarbeiter
(03.10), Weiterhin gibt es Informationen über
die mutmaßlichen Nachfolgeorganisationen
(nach HVZ vom): ASC „Woterkant“
(16.07.1929), Schalmeienkapelle „Klang
frei“ von 1923 (19.10.1929), Schalmeienkorps
VFL 05 (02.11.1929), Proletarisches Blasorchester
„Hamburg“ (20.12.1929), Gründung
des Spielkorps Internationaler Seeleute
(15.05.1930), Proletarisches Blasorchester Freiheit
von 1926, Uhlenhorst (11.07.1930), Blasorchester
„Frei weg“ (Eimsbüttel)
(27.08.1930), Lenin-Orchester (27.06.1931),
Arbeiter-Schalmeienkapelle Vorwärts,
Rothenburgsort (18.11.1931), Schalmeienkorps des SR
Adler von 1925 E.V. (04.12.1931).
Während RFB und KPD in
der Frage einer Neugründung des RFB nicht zu
einem Resultat kamen, gab der preußische
Innenminister am 31. August 1929 bekannt, dass alle
möglichen Nachfolgeorganisationen
illegal seien und sofort aufgelöst
werden müssten (vgl. dazu Hinze, S. 210ff.).
Am 28.8.1929 schrieb die
Gauleitung Hamburg des NASB „an die Leiter
der Ortsgruppen“ (4). Der RFB sei nicht
„vollständig liquidier“, denn
„Keine Proletarische Kampforganisation ist zu
verbieten“. Es folgte aber eine kurze
Selbstdarstellung, so sei jede Ortsgruppe
selbständig und gehöre „als
geschlossene, gesamte Ortsgruppe dem N.A.S.B.
an.“ Es wurde empfohlen, dass sich
Ortsgruppen und Abteilungen besonder, proletarische
Organisationsbezeichnungen geben würden.
Beispielhaft erwähnt wurden:
„Arbeiterwehr Lägerdorf“,
„Proletenwehr Liebknecht“ und
„Antifaschistische Wehr Itzehoe“. Der
Aufbau des NASB sei anders als beim RFB
„förderativ und nicht
zentralistisch“.
Anm.:
1. LAS 301-4549/21,
Pol.B v. 26.6.1929 (Anzeige geg. Karl Rokohl),
Altona, 24.10.1929.„Die HVZ v. 12.4.1930
meldete noch einen Wanderverein „Brüder
zur Sonne von 1926“.
2 LAS 301-4549/14, IPP
892-6, Pol.B Grimpe, Schleswig, 9.9.1929. und LAS
301-4549/15, I.Nr. IPP 1016-6, Pol.B Grimpe,
Schleswig, v. 20.9.1929;
3. Vgl. LAS 301-4549/21,
Anzeige geg. Karl Rokohl, Altona 24.10.1929.
4. LAS 301-4549/17 Anl.
zu Pol.B Köhler, Kiel v. 1.10.1929
Erwerbslosen-Initiativen
Seit 1927 gab es von der KPD
gesteuert Erwerbslosen-Initiativen, Den sporadischen
Erwerbslosen-Agitationen folgte zu Weihnachten eine
intensivere Beachtung dieser Klientel. Thematisiert
wurde eine Unzufriedenheit über eine
ungenügende Weihnachtsbeihilfe. 1928 wurde ein
erster „Erwerbslosentag“ am 27.
März (HVZ v. 22.3.1928) propagandistische
begangen. Am 3. März 1929 wurde bereits eine Bezirkserwerbslosenkonferenz im Valentinskamp 42 abgehalten (HVZ
v. 21.2.). Die vier Tage später erfolgte Hungerdemonstration der Erwerbslosen (HVZ v. 7.3.) blieb aber
für rund neun Monate die letzte Aktion dieser
Art. In der HVZ waren lediglich beobachtende
Mitteilungen enthalten (z.B. am 7.5.: „Abbau
der Erwerbslosenunterstützung“). Nach
dem Verbot des RFB wurden einige dieser Gruppen aus
dieser Personengruppe aufgefüllt. (die
HVZ v. 13.2.1930 meldete sogar die Gründung
einer Erwerbslosenwehr in Charlottenburg), tauchten
plötzlich Musikkapellen mit unverfänglich
klingenden Namen auf, die - zumindest ab 1929
eventuell auch noch ab 1930 - Fortsetzungen von
vergleichbaren RFB-Formationen darstellen
dürften. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise 1929
und mit dem Anstieg der Arbeitslosigkeit wuchs auch
die politische Bedeutung der Erwerbslosen. Am 31.
August 1930 galt der Kampf der KPD der
„Hungerdiktatur“, und am Tag nach dem
besonderen Aktionstag der Arbeitslosen waren es die
„Hungerbataillone“, die marschierten
(HVZ v. 11.9.).