Deutscher
Arbeiter-Sängerbund (DAS) - 3
Alfred Guttmann Chorsammlungen
am Beispiel der Männer-Chöre
Vor seine Sammlung der
Männer-Chöre stellt Guttmann ein 18
seitiges Vorwort, indem er einerseits die
Geschichte der Männer-Chöre aufzeigt und
andererseits die Grundlagen der Sammlung
erklärt. Er sieht die Männer-Chöre
aufgrund ihrer Vorgeschichte (Arbeits-, Soldaten-
oder politisches Lied) eher als Gebrauchsmusik, als
die gemischten Chöre. Sie war daher auch viel
weiter vom Konzertsaal entfernt, als der gemischte
Chor. In der beginnenden Organisierung der
Arbeiterbewegung war der Männer-Chor nicht
selten auch Tarnung für eine politische
Aktivität, besonders in der Zeit des
„Schandgesetztes“, als das das
sogenannte „Sozialistengesetz“ der
1980er Jahre bezeichnet wurde. Der
Arbeiter-Männerchorgesang stand also
„musikalisch zuerst auf niedriger
Stufe“. Waren es doch überwiegend
Volksweise mit neuen Texten, wie das „Andreas
Hofer“-Lied. Mit anderen Worten: musikalisch
kam nichts Bedeutendes dabei heraus, was ihn zu dem
Schluss kommen lässt: „Die
Gesinnungstüchtigkeit des Inhalts mußte
über die künstlerisch unzureichende Musik
hinwegtäuschen.“
Erst mit Gustav Adolf Uthmann gelang
es, die Arbeiterchören „auf eine
höhere Stufe zu bringen“. „Er
schuf die ersten Tendenzchöre, die sich wie
ein Flugfeuer durch die singende Arbeiterschaft
verbreiteten“. Sie wurden nun „bei
allen Feiern und Festen der Arbeiterbewegung
vorgetragen“. Auf dem Gebiet des Volksliedes
allerdings begnügten sich die
Männer-Chöre vorerst mit der Literatur im
Liedertafelstil aus künstlerisch unbedeutenden
bürgerlichen Verlagen. Erst mit der
Gründung der eignen
„Liedergemeinschaft“ des DAS
„begann ein Anstieg des Niveaus“ und
nach dem Ende des Krieges sieht Guttmann einen
„deutlichen Aufschwung“. Es
dürften wohl einerseits ökonomisch
Gründe gewesen sein, die dafür
ursächlich waren, doch auch ein
tatsächliches Engagement für die
politische Sache zu Beginn der Republik. Es bildete
sich „ein immer größer werdender
Kreis von hochstehenden Fachleuten“ aus
Künstlern, Dichtern, Musikern und
Wissenschaftlern, die die Sache unterstützen
wollten. Gleichzeitig setzte aber auch ein
„Aufstieg der Volkschor-Bewegung ein“.
Von 150 Personen in vier Chören um 1900 stieg
die Anzahl erheblich. Im DAS stellte man fest,
„daß der Ausschluß
der Frau aus der
Kollektivarbeit des Chorgesanges nicht nur für
Sozialisten unmöglich und unwürdig sei,
sondern daß zu gleich die höchste Form
des Chorgesanges, die im gemischten Chor, erst dann
ermöglicht wird, wenn auch die
Arbeitersängerin in unsere Reihen
tritt.“ Es musste allerdings noch geeignete
Literatur für diese Volkschöre geschaffen
werden.
Während also die
Volkschöre das Volkslied pflegen und auf das
Material der Meister der Chor-Orchestermusik
zugreifen konnten, hatten die
Männer-Chöre ein Qualitätsproblem.
Man bemühte sich also um auch die
„Tendenlieder“ (zum Ausdruck: siehe
oben) auf ein musikalisch höheres Niveau zu
heben. Der Männerchor musste also „unter
neuen Gesichtspunkten kultureller Art seine
Existenzberechtigung neben dem Volkschor“
beweisen. Zur Erreichung des Zieles, gelang es dem
DAS, „Künstler wie Scherchen, Malden, Lendvai an uns zu binden“. Auf
diesem Weg gelang es, eine große „Zahl
unbegleitete Männerchöre von
musikalischer Qualität“ zu verlegen.
Außedem wurden „Versuche gemacht,
größere Kantaten, die sich
weltanschaulich auch für uns eignen, durch
Unterlegung neuer Texte für unsere Ideale
dienstbar zu machen“.
Ab dem 1. September 1926 ging
nun daran, mit einem dreiköpfigen
Künstlerischen Beirat, bestehend aus den den Herren Lütge, Hänel und Tiessen, eine entsprechende
Männer-Chor-Sammlung zusammenzustellen. Der
Plan, als Herausgeber „einige
wissenschaftliche Prominente, die nicht zu unsern
unmittelbaren Mitarbeitern gehörten, zu
gewinnen, was aber mislang.
Bei den Vorarbeiten haben aber
die Professoren Ochs und Thiel mit ihrer umfassenden
Literaturkenntnis „entlegene Gebiete
geöffnet und wertvollstes Material finden
lassen“. Auch Lütge habe
„zahlreiche bisher unveröffentlichte
Quellen erschlossen“. Immerhn gelang es noch,
„als Helfer für gewisse Einzelgebiete
führende Persönlichkeiten zu zeitweiser
Mitarbeit zu gewinnen“. Dazu gehörte
zuerst Dr. Hugo
Leichtentritt, doch
auch Professor Dr. Johannes Wolf, Direktor der
Musikabteilung der Staatsbibliothek in Berlin
konnte wichtiges Material besorgen.
Bei den möglichen
künstlerischen Mitarbeitern wurde Felix Malden vermisst, der kurz vorher verstorben war.
Von den mitwirkenden Künstlern zählt
Guttmann auf: „ich nenne Brunck, Beckmann,
Guridi,, Guttmann, Kahn, Knöchel, Lendvai,
Lütge, de Nobel, Ochs, Othegraven,
Röntgen Rosenek, Scherchen, Thiel, Thiessen,
Tissen usw.)“ Als neue Künstler von Ruf
kamen dazu: Gál, Graener, Grosz, Haas,
Arnold Mendelssohn, Petyrek, Heinrich Kaspar
Schmid, Schönberg, Georg Schumann,
Weismann.“ An angesehenen ausländischen Mitarbeitern erwähnt er: Fridhjov
Anderssen und Peterson-Berger. Die Reihe der
Komponisten kann man den einzelnen Liedern
entnehmen. Von den zahlreichen
„Künstlern des Wortes“, die
mitgeholfen haben, erwähnt Guttmann explizit Bruno Schönlank, Max
Barthel, Robert Seidel, Ludwig
Lessen und Theodor Geiger.
Guttmann erwähnt auch den
Personenkreis, der Für „die umfassende
Bibliotheksarbeit“ zur Verfügung stand.
Erwähnen tut er Dr.
Beckmann mit
Unterstützung von Herrn
Thomas (z. B. die
biographischen Notizen der Autoren).Als
zuisätzlich „wissenschaftliche
Hilfsarbeiter“ benennt er „in erster
Linie die Herren Mayer, Thomas und Weißenberger, „für die Registratur
und Ordnung, Frau
Spoleder.
Der Plan zur
Männerchorsammlung von 1929.
Es sollte keine
ausschließlich deutsche Sammlung werden und
frühere Sammlungen waren zu sehr mit mit
geistlichen, kirchlichen und patriotischen
Chören durchsetzt. Außerden sei
„manches auch im Künstlerischen
überholt. Manches erwies sich „bei
genauerem Zusehen als ein kritikloser Nachdruck früherer
Werke“; man ging
nicht auf die Quellen zurück, so dass sich
Fehler und Irrtümer ständig fort
pflanzten. Man wollte in erster Linie
möglichst zahlreiche Chöre schaffen,
„die als ‚Tendenzchöre’ dem Kampf um die Ideale
unserer Weltanschauung dienen sollen.“
außerdem sollten Volkslieder nicht nur zur „alleinigen
Pflege des deutschen Volksliedes gebracht werden,
vielmehr mußt das Lied anderer Völker
als gleich wesentlicher Bestanteil herangezogen
werden.“
Drittens wollten Guttmann und seine
Mitstreiter „anstelle einer allzu
ausschließlichen Pflege der romantischen
Musik der letzten hundert Jahre“ der alten
Kunst einen größeren Raum geben, da
diese im Männerchor bisher viel zu kurz
gekommen sei.
Außerdem seien
Chorsätze ausländischer Komponisten bis
dato zu wenig berücksichtig worden. Es fehlten
meistens z. B. die „in Westeuropa sehr wenig
bekannten russischen
Künstler.“
Unbedingt müssten die
Original-Männerchorkomposition von noch lebenden Meistern mehr mit einbezogen werden.
„Hierbei haben wir uns keineswegs engherzig
auf eine bestimmte Richtung, die etwa durch die
Namen Othegraven oder Röntgen dargestellt wird, festgelegt,
sondern ebenso wohl Persönlichkeiten wie Lendvai
oder Haas oder Schönberg zur Mitarbeit gewonnen.“
Schließlich und endlich fehlte Guttmann die heitere Musik völlig.
Zur besseren Übersicht
wurden alle „Tendenzchöre“
zusammengefasst „annähernd ein Drittel
aller Chöre (97 Stücke = 33%)“
seien als „Werbemittel für unsere
Bewegung in politischer Beziehung“.
Eine Übersichtstabelle
ergibt folgendes Bild:
I. Arbeit und Kampf
- 28 (neu: 17
II. Hoffnung und Sieg -
22 (neu: 14)
III. Trauer und Trost
- 19 (neu: 14)
IV. Fest und Feier
- 26 (neu: 20)
V. Ältere deutsche
Volkslieder 26 (neu 24)
VI Neuere dt. Vld.
- 29 (neu 22)
VII. Ausländ. Vld.
- 34 (neu 21)
VIII Ältere Meister
- 40 (neu 37)
IX. Neuere Meister
- 27 (neu 10)
X. Scherz u. Kanon, Fuge und
Unfug - 39 (neu 23)
Gesamtsumme
- 290 (neu 202)
Prozent
100 % 69,6 %