Wiegenlied einer Bergmannsfrau
1. Schlaf ruhig, mein Bübchen, in
süßer Ruh’!
Ich hab’ nicht viel Zeit zum Singen.
Muß waschen und plätten nur immerzu,
Das täglich Brot zu erringen.
Du darfst mich nicht stören in meinem Erwerb,
Mußt immer hübsch stille liegen,
Das Leben ist, ach, so bitter, so herb,
Durch Kämpfen nur können wir siegen!
2. Schlaf ruhig, mein Bübchen, in
süßer Ruh’!
Du weißt nichts von Erdenplagen.
Du schließest nun müde die Äuglein
zu,
Erwachest dann lächelnd am Tage.
Dein Vater dagegen im tiefen Schacht
Muß fronden bei kargem Solde:
Er hämmert bei ewig tiefdunkler Nacht
Die Stollen im schwarzen Golde.
3. Schlaf ruhig, mein Bübchen, in
süßer Ruh’!
Bist Väterchens Licht und Sonne.
Dir wenden wir all unsre Liebe zu,
Du bist unser Glück unsre Wonne!
Und steigt dann der Vater empor aus dem Schacht,
Dem grinsenden Tod entgangen,
Dann hält er am Bettchen lächelnd die
Wacht
Und küsst dir die rosigen Wangen.
4. Schlaf ruhig, mein Bübchen, in
süßer Ruh’!
Und träume von besseren Tagen.
Die Jahre der Kindheit vergehen im Nu,
Bald heißt es dann: Arbeit erjagen!
Doch fühlst du erst trotzigen Mannesmut,
So tritt in der Brüder Reihen,
Dann kämpfe mit ihnen, mit Herz und mit Blut:
Der Freiheit sollst du dich einst weihen!
Geschichte / Kommentar:
Das Wiegenlied von H. Salomon haben wir in den
Liederheften von Heinrich Schoof (Österreich) gefunden.
Quellen:
Heinrich Schoof, Österreichisches Proletarier
Liederbuch, 6. umgearb. Aufl. (100.-115. Tsd.) Jubiläumsausg.,
Wien 1914 (Lammel BIbl. Nr. 235), S. 76.
Heinrich Schoof, Österreichisches Proletarier
Liederbuch, 7. umgearb. Aufl. (116.-125. Tsd.) Jubiläumsausg.,
Wien 1923 (Lammel Bibl. Nr. 235), S. 55f.