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Johann (John) Most
(1846 - 1906)

Johann (John) Most wurde am 5. Februar 1846 in Augsburg (Königreich Bayern) als Kind eines Schreibers und einer Gouvernante geboren. Er wuchs in kärglichen Verhältnissen auf, mit zehn Jahren starb seine Mutter an der Cholera. Seine Stiefmutter machte ihm das Leben schwer. Außerdem litt er an Knochenfraß im Unterkiefer und war nach einer erfolgreichen Operation im Gesicht entstellt. Die Lehranstalten waren damals nicht selten von einer „Prügelpädagogik“ behrrscht, wogegen er sich häufig zur wehr setzten. Nachdem er einen Schülerstreik organisiert hatte, wurde er als 13-Jähriger von der Schule verwiesen. Es folge eine Lehre als Buchbinder und ab 1863 Wanderzeit durch Deutschland, Ungarn und die Schweiz. In jener Zeit kam er auch mit der Arbeiterbewegung in Kontakt. Als er 1867 eine Anstellung als Etuimacher in Le Locle im Schweizer Jura hatte, wurde er Mitglied in einem dort ansässigen deutschen Arbeiterbildungsverein. Begeistert war er von den Schriften Ferdinand Lassalle’s. Im gleichen Jahr zog er nach Zürich und schloss einer Sektion der Internationalen Arbeiterassoziation an. Dort lernte er auch Herman Greulich kennen, mit dem er seitdem freundschaftlich verbunden war.

Im Oktober 1868 zog Johann Most nach Wien. Die österreichische Arbeiterbewegung hatte bereits eine stattliche Größe erreicht. Viele Arbeiterbildungsvereine orientierten sich an Lassalle, und später an August Bebel und Wilhelm Liebknecht. Der gewandte Redner (und Schreiber) wurde auch ohne offizielle Stellung in der Partei zu einem der populärsten Agitatorien der Arbeiterbewegung. Erste Konflikte mit der Obrigkeit hatte Most im Mai 1869. Anlässlich einer Versammlung in der Wiener Vorstadt Fünfhaus kritisierte er heftig das Bürgerministerium. Nachdem die Presse darüber berichtet hatte, verlor er seine Arbeit und wurde außerdem wegen „Störung der öffentlichen Ordnung“ zu einem Monat strengem Arrest verurteilt.

Im Dezember 1869 war Most einer der Organisatoren einer Demonstration die immerhin 30.000 bis 40.000 Teilnehmer aufweisen konnte. Most wurde dafür mit anderen österreichischen Sozialisten wegen Hochverrats zu fünf Jahren schweren Kerkers verurteilt. Einige Wochen vor seiner Abschiebung ins Strafgefängnis Suben schrieb Johann Most den Text für sechs Lieder, darunter das Proletarierlied („Wer schafft das Gold zu Tage?…“), das aus dem Gefängnis und über die Grenze geschmuggelt wurde und bis heute zu den meistgesungenen Arbeiterliedern gehört.

Nach einer Ministerkrise und dem Amtsantritt von Graf Hohenwart im Februar 1871 die Amnestie der 93 Verurteilten, darunter auch Johann Most. Es folgte eine Agitationsreise durch die Österreichischen Provinz, was prompt dazu führte, dass Most nach seiner Rückkehr in Wien festgenommen und ausgewiesen wurde. 1871 redigierte Most mit der „Chemnitzer Freien Presse“ eine eigene Zeitung. 1874 und 1877 wurde er in den Reichstag gewählt. Außerdem übernahm er die Redaktion der Süddeutschen Volksstimme in Mainz und später die der Berliner Freien Presse.

Nach dem Inkrafttreten des so genannten „Sozialistengesetzes“ im Oktober 1878 wurde Most aus Berlin ausgewiesen. Er emigrierte erst nach Frankreich, wo er 1879 abgeschoben wurde. Ihn zog es nach England, weil er an die liberale Tradition des Landes glaubte. Dort gründete er die Zeitung „Freiheit“, wurde politisch zunehmend radikaler und avancierte zum Anarchisten. 1880 schloss ihn der Kongress von Wyden aus der deutschen Sozialdemokratie aus. Zwei Jahre später wanderte Most in die USA aus. Dort ging seine Radikalisierung so weit, dass er sich in eine Sprengstoff-Firma einschmuggelte und später ein „Handbüchlein zur Anleitung betreffend Gebrauches und Herstellung von Nitro-Glycerin, Dynamit, Schießbaumwolle, Knallquecksilber, Bomben, Brandsätzen, Giften usw.“ mit dem Titel „Revolutionäre Kriegswissenschaft“ herausgab. Most starb 1906 in Cincinnati als völlig vereinsamter Mann.


Johann Most und sein Liederbuch
Mosts Neuestes Proletarier-Lieder-Buch stand als eines der ersten Liederbücher mit am Anfang der Liederbuch-Tradition der Arbeiterbewegung. Gründe für ein neues, „anderes“ Liederbuch hatte er genug. 1867 kam er zum ersten Mal mit der organisierten Arbeiterbewegung in Berührung, als er im März in Locle, einem kleinen Städtchen im Schweizer Jura, eine Beschäftigung als Etuimacher fand. Er schloss sich dem dortigen deutschen Arbeiterbildungsverein an, der der Vereinigung der deutschen Arbeitervereine in der Schweiz angehörte.

„Die meisten dieser Vereine hatten ursprünglich einen durchaus farblosen Charakter und bekannten sich zum größten Teil zu den Ideen Schulze= Delitzschs, dem Lassalle in seinem ‘Bastiat=Schulze’ so grimmig zusetzte. Mit der Verbreitung der Internationale in der Schweiz ging allmählich eine gründliche Wandlung in den deutschen Arbeitervereinen vor.“

Doch lassen wir Johann Most selbst seine Motivation darstellen:

„Ich war den Uebrigen an Mutterwitz auch nicht gerade besonders überlegen; aber so viel hatte ich in der Daseins-Schule doch  schon aufgeschnappt, dass ich solche Quatschologie für äusserst beschämend halten musste und daraus auch ganz und gar kein Hehl machte. Ebensowenig vermochte ich dem üblichen Gesinge einen besonderen Haut-gout abzugewinnen. Man hörte fortwährend von der ‘lieben Heimath, in der es schön’ sein sollte, von einem ‘Brunnen vor dem Thore’, von der ‘heiligen Nacht’, vom ‘lieben Gott’, der ‘durch den Wald’ geht und ähnlichem Schnickschnack dermassen gröhlen, dass man leicht begreifen konnte, warum und wieso sich die Vereine gegen Thierquälerei rapid vermehrten. Ich fühlte instinktiv, dass ein Arbeiter-Verein einen ganz anderen Beruf haben sollte, als die Pflege von geleiertem Gefasel und gefaseltem Geleier; ich deutete das auch an, wusste aber selbst nicht Rechtes vorzuschlagen bis ich vermöge eines zu La Chaux de Fonds, einem etwa eine Wegsstunde von Locle entfernten Grossdorf von damals 40.000 Einwohnern, stattgehabten grossen Arbeiterfest, zu dem auch viele Auswärtige, so z.B. die Mitglieder des Lockler Vereins, erschienen waren, den richtigen Pusch ins correkte Fahrwasser erhielt.

In La Chaux de Fonds war einige Zeit zuvor eine Sektion der ‘Internationalen Arbeiter-Association’ entstanden und zwar jene, welche später den Kern der anarchistischen ‘Jura-Föderation’ bildete. Aus derselben gingen als bald diverse feurige Redner  hervor, welche es verstanden, die moderne Gesellschaft drastisch zu geisseln und mit Begeisterung die soziale Revolution zu herolden. Dieselben benützten auch den guten Besuch des obgedachten Arbeiterfestes dazu, gehörig die Pauke zu schlagen, was Manchen zum Denken, mich zur Selbsterkenntniss brachte.“ (Johann Most, Memoiren... 1903 Bd. 1, S. 51f.)

Lieder: Proletarierlied („Wer schafft das Gold ...“); siehe auch:  „Eine gestörte Sedanfeier“ 1872;

Musik von unten bietet an: Werner Hinze, Johann Most und sein Liederbuch. Warum der Philosoph der Bomde Lieder schrieb und ein Liederbuch herausgab, Hamburg 2005: 14,- € (plus Versand)

Literatur
Frank Harreck-Haase: Der Agitator – Das Leben des Johann Most, 1. Band – Der Sozialist, Chemnitz 2017, ISBN 978-3-00-056998-2.
Werner Hinze: Johann Most und sein Liederbuch. Warum der Philosoph der Bombe Lieder schrieb und ein Liederbuch herausgab. Tonsplitter Verlag, 2005, ISBN 3-936743-05-3.
Botz, Gerhard, Brandstetter, Gerfried, Pollak, Michael: Im Schatten der Arbeiterbewegung, Zur Geschichte des Anarchismus in Österreich und Deutschland. Europaverlag Wien 1977
Maag, Gerhard, Vom Sozialistengesetz bis zum Ersten Weltkrieg, in: Arbeitskreis Geschichte der Nürtinger Arbeiterbewegung, Das andere Nürtingen. Ein heimatgeschichtlicher Beitrag zum 100. Geburtstag der Nürtinger SPD, hrsg. v. SPD-Ortsverein Nürtingen, Nürtingen 1989, S. 23–62.
Dieter Kühn (Hrsg.): Johann Most – ein Sozialist in Deutschland. München 1974, ISBN 3-446-11931-0. (Reihe Hanser 171)
Heiner M. Becker, Andreas G. Graf (Hrsg.): Johann Most – Ein unterschätzter Sozialdemokrat? Berlin 2006, ISBN 3-930819-29-5. (= Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Jahrgang 41, Nr. 1–2, März 2005)
John Most: Memoiren: Erlebtes, Erforschtes und Erdachtes. Edition Kobaia, Hannover 1978. (Reprint der vierbändigen Originalausgabe in New York von 1903 bis 1907)
Rudolf Rocker: Johann Most. Das Leben eines Anarchisten. Berlin 1924; Nachtrag. Berlin 1925. (Reprint: Libertad Verlag, Berlin/Köln, ISBN 3-922226-22-1)
Winfried Schwarz: Entstehung und Überlieferung. In: Kapital und Arbeit. Ein populärer Auszug aus „Das Kapital“ von Karl Marx von Johann Most. Zweite verbesserte Auflage. Genossenschafts-Buchdruckerei Chemnitz, Chemnitz 1876. (Reprint: Wuppertal 1985, ISBN 3-88012-729-8, S. 9–67)
Horst-Peter Schulz: Most, Johann. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 18, Duncker & Humblot, Berlin 1997, ISBN 3-428-00199-0, S. 218 f. (Digitalisat).
Ilse Ruch-Schepperle: Nebeneintrag zu Most, Johann in Artikel Ramus, Pierre. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 21, Duncker & Humblot, Berlin 2003, ISBN 3-428-11202-4, S. 136 (Digitalisat).
Tom Goyens: Beer and revolution. The German anarchist movement in New York City, 1880–1914. University of Illinois Press, Champaign 2007, ISBN 978-0-252-03175-5 (englisch).

siehe auch: SPD