Mandoline (2)
Der „Freie Zupfer“
beinhaltete Artikel wie Willy Weicherts
„Volksmusik, Volkslied, Jazzband und
wir“ (1927) oder Herbert Braunes „Zur
Soziologie des ‚Meistersanges’“
1933. Außerdem verfügte er über
eine eigene Kinder- und Jugendbeilage, die sich
„Der Kinderchor“ nannte.
(Nach Henke, S. 88, Anm. 96:
Willy Weichert, Volksmusik, Volkslied, Jazzband und
wir, in: Freier Zupfer, 5. Jahrgang, 15. April
1927, Nr. 4, S. 1-3; Herbert Braune, Zur Soziologie
des „Meistersanges“, in: Freier Zupfer,
11. Jahrgang, 15. Februar 1933, Nr. 2, S. 1-2.)
Den größten Raum
nahmen jedoch Artikeln ein, die sich mit dem
Verhältnis von Musik und Arbeiterklasse
auseinandersetzten. Neben der Agitation für
den Achtstundentag, widmete sich z. B. Arno Kubsch
der Bedeutung von „Agitation“ an sich,
referierte Clemens Gerth über „die
proletarische Eigenkultur“ und erkläre
Karl Firsching die Beziehung von „Sklave
Mensch – Künstler Arbeiter“.
(Hanke, S. 88.)
Konrad Wölki, der sich offensichtlich nicht
zwischen DMGB und DAMB für eine Seite
entscheiden konnte, bilanzierte 1928,
Mandoline und Gitarre seien Volksinstrumente,
(Konrad Wölki,
„Bürgerlich“ oder
„proletarisch“, in: Das Mandolinen- und
Lautenspiel, 4. Jahrgang, Juni 1928, Nr. 6, S.
49-52.)
und die Mitglieder der
Mandolinen-Orchester gehörten zu 99% der
arbeitenden Bevölkerung an. Welches
statistische Material ihm dabei zur Verfügung
stand (und ob überhaupt), ist allerdings
unklar. Jedenfalls meinte er, die Mandoline sei im
wahrsten Sinne des Wortes zum Instrument des
‚kleinen Mannes’ geworden. Die
Mandolinenorchester seien ständig angewachsen
und die Mitgliederzahl beider Verbände sollte,
zusammen das zehnte Tausend überschritten
haben. Die Anhänger der Mandolinen-Bewegung,
also auch die Mitglieder des DMGB, seien durchweg
Arbeiter, und auch überwiegend links
eingestellt – dahinter dürfte sich der
Streit zwischen KPD und SPD verbergen, der hier
nicht namentlich erwähnt wurde. Eine
‚bürgerliche’ Volksmusik
könne es nicht geben!
Im künstlerischen Tun und
im Repertoire seiner Mitgliedsorchester unterschied
sich der DAMB zunächst nur wenig von dem als
bürgerlich geschmähten DMGB. Während
der DAMB allerdings mehr mit politischen Statements
beschäftigt war, bemühten sich die dem
DGMB angeschlossenen Orchester um soziale Projekte.
So gaben sie ungezählte
Wohltätigkeitskonzerte. Der von Carl Henze
geleiteten Berliner
„Mandolinenclubs ‚Sonate 1907’.“ beispielsweise konzertierte
im Rahmen kirchlicher Benefiz-Veranstaltungen in
der Matthäi-Kirche konzertiert (7.12.1924), zu
gunsten des St. Markus-Frauenvereins in den
Alhambra-Festsätlen (15.10.1930) oder in Kiems
Festsälen (Hasenheide) zur Veranstaltung des
Reichsbundes der Kriegsbeschädigten,
Kriegsteilnehmer und Hinterbliebenen (8.10.1927).
(Henke, S. 90 nach: Schmidt
1991/1, S. 6)
Der DAMB veranstaltete vom 13.
bis 15. Juli 1929 in Leipzig ein „Erstes Internationalenel
Arbeiter-Mandolinisten-Fest“.
Das Programmheft offenbart im
Wesentlichen ein eher konventionelles Repertoire.
1 Internationales
Arbeiter-Mandolinisten-Fest vom 13. bis 15. Juli
1929 in Leipzig
1. Fest-Konzert am Sonntag,
den 14. Juli 1929 in der Alterhalle des
Krystallpalastes
1a Festhymne Nr. 2 (Schau)
b) Der Wald (Wölki)
Die Gaue 3, 5, 9, 10,
11, 12, 13 und 14.
2. JI Mandolino c acongresso
(Bracco)
Arbeiter-Mandolinisten-Orchester
Zürich
Leitung: O. Wermbold,
Zürich
3.a) An der schönen
blauen Donau (Strauß
b) Tord Foleson
(Uthmann)
Unter Mitwirkung des
Männerchores Leipzig-Thonberg (Text umstehend)
Gau 1. Leiung: Haskamp,
Guben
4.a) Kinderlieder-Potpourri.
(W. G. Oertel)
b) Paraphrase über
das Lied. Frühmorgens, wenn die Hähne
krähn (W. G. Oertel)
Bundeskinderchor.
Leitung: W. G. Oertel
5.a) Amonie alpine (Sartori)
b) Wolgalied (bearbeitet
von Schau)
Gau 7. Leitung: Karl,
Altenburg
6.a) Morgenrot (Nobel)
b) Marsch der Arbeiter
(Joh. B. Kok)
Holländischer
Bundeschor, Leitung: Buchholz, Leipzig
(Nach Lammel 1984, S. 187.)
Das erste Festkonzert, am
Morgen des 14. Juli dokumentiert die Mischung aus
bekannten Melodien, die auch vom DMBG dargebracht
werden könnten, wie Straußens „An
der schönen blauen Donau“ oder der
Potpourri von Kinderliedern wird ergänzt durch
Lieder aus der Arbeiterbewegung (Uthmanns
„Tord Foleson“) und der neue Trend von
KPD-Organisationen, russische Melodien als
vermeintlich revolutionärem Anteil. Neu ist
die Originalkomposisionen „Morgenrot“
von Nobel und „Marsch der Arbeiter“ von Joh.
B. Kok. die als
durchaus innovatorische Ansätze eingestuft
werden können.
Die musikalische Verbeugung
vor dem „revolutionären“ Russland
fand nicht nur in der Übernahme russischer
Melodien ihren Widerhall, sondern auch durch die
Einbeziehung eines anderen Instrumentariums, der
Balalaika. Zu den bedeutendsten Balalaika-Orchester zählte das 1926 in
Leipzig gegründete „des Verbande der Studenten der UdSSR
– Interessengemeinschaft für
Arbeiterkultur (IFA)“.
Es bestand aus 12 deutschen und russischen
Spielern, die immerhin so erfolgreich waren, dass
sie sich für ihre Tourneen eigens ein Kastenauto anschaffen konnte (Vgl. Ebert 1971, S.
197-203). Die Konzerte galten der Werbung für
die kommunistische Presse ebenso wie dem
Verständnis für Russland und der
Unterstützung der „Internationalen Arbeiterhilfe“.
Die Bad Neuenheimer Zeitung
schrieb zu einem Gastspiel des IFA-Ensembles.
„Die Klänge einer
fremden unbekannten Welt haben ihre Wirkung auf die
in großer anzahl erschienenen Gäste
ausgeübt. Unsagbares Leiden, Sehnsuch nach
Freiheit, nach Erlösung bringen die
älteren, aus der Zeit des Absolutismus
stammenden Melodien zum Ausdruck. Die Musik
führte in die Stätten der Deportation
nach Sibirien, in die unterirdischen Kerker.
Schön waren auch die lustigen Weisen der
Bauern und Arbeiter, von viel Temperament die
Tanzdarbietungen, die ganz Ausdruck russischen
Volksempfindes und östlicher
Sentimentalität waren. Man konnte durch die
Reichhaltigkeit des Programms die ganze Entwicklung
des russischen Volkes in den letzten Jahrzehnten
miterleben. Aus dem Repertoire sei in Sonderheit
das Gedenklied für Lenin hervorgehoben.“
(Zitiert nach Ebert, S. 201)
In ihrem Zentralorgan
„Freier Zupfer“ diskutierten die
Mandolinisten intensiv darüber, ob
1. sozialistische Kunst
bereits innerhalb bürgerlicher Strukturen
entstehen kann, oder ob sie erst nach dem Sturz des
kapitalistischen Systems möglich sei?
2. Wie soll die sozialistische
Musik aussehen?
Der Würzburger Karl Fisching vertrat in seinem Essay „Sklave Mensch – Künstler
Arbeiter“ aus dem
Jahr 1929 die Ansicht, dass der Proletarier infolge
von Industrialisierung und entfremdeter Arbeit
musisch verarmt sei, daher müsse man für
den Achtstundentag kämpfen und auch eine
Kunstreform im Sinne des Sozialismus beginnen. Die
Verwirkligung menschenwürdiger
Arbeitsbedingungen und die Niveauanhebung
proletarischer Kunst würden einander
bedingten. Es sei also zwingend, dass die
sozialistischen Musikverbände das
proletarischen Repertoire und die Arbeitermusik
fördern müssten. (Nach Henke, S. 95)
Das sei vergebene
Liebesmüh’ meinten jene, die
sozialistische Kunst und bürgerliche
Gesellschaft als unvereinbar ansahen. Zu ihnen
gehörte beispielsweise Julius Schlenker aus Schwenningen am Neckar. 1932, also in
jener Zeit, in der der RFB bereits verboten war,
die Nationalsozialisten erheblich an Macht und
Einfluss gewonnen hatten und die KPD erneut von
Bürgerkrieg und Revolution träumte. In
seinem Aufsatz „Programmrevolution“ meinte Schlenker, dass das proletarische Kampflied ins Zentrum der DAMB-Konzerte zu
rücken müsste, was aufgrund der
Veränderung der politischen Verhältnisse
allerdings auch nicht so verwunderlich war.
„Damit stellen wir uns
bewußt in die Reihen des kämpfenden
Proletariats, und somit helfen wir das erringen,
das uns vorgeschwebt hat, als wir und
zusammenfanden: nämlich die Beseitung des
morschen kapitalistischen Systems. Die Musik in den
Dienst des Sozialismus stellen, neue Formen in der
Musik finden usw., sind nicht anderes als
Illusionen, die von der Masse nicht verstanden
werden. Wir können die Arbeitermandolinisten
in den kapitalistischen Staaten die Musik in den
Dienst des Sozialismus stellen, wo wir erst daran
sind, den Kampf zur Beseitigung des heutigen
Systems zu organisieren?“
(Zitiert nach Ebert 1971, S.
146)