Mandoline

Einen recht guten Überblick über die Entwicklung von Gitarren- oder Mandolinen-Orchester gibt Matthias Henke (Das grosse Buch der Zupforchester, München 1993), an dem wir uns mit der folgenden Darstellung teilweise orientiert haben. Inge Lammels Band über die „Arbeitermusikkultur in Deutschland“ bleibt leider bei vielen unscharfen Bildern und wenig ausführlichen Erklärungen stecken. Traude Ebert hat intensiv in die Szene geblickt, kommt aber über allzu viel Ideologie nicht ausreichend zu einem kritischen Ergebnis. Aber, man kann sich natürlich im Berliner Arbeiterliedarchiv einige der interessanten Quelllen ansehen.

Erste Versuche von Zusammenschlüssen von Gitaristen gab es bereits sehr früh. 1877 wurde der „Leipziger Gitarrenklub“ unter der  Leitung von Otto Schick (1850-1928), gegründet. 1899 folgte der „Internationale Guitarristenverband e. V.“ in München. Mit letzterem wurde die Fachzeitschrift „Der Guitarrefreund“ ins Leben gerufen. In München gab es auch den „Guitarristen-Verband“ und bereits einen „Lombardischen Mandolinen-Klub“ (Leitung Heinrich Albert). 1907 wurde in Straßburg der „Elsaß-Lothringische Mandolinen-Bund“ gegründet. Die Entwicklung besonders vorangetrieben hat die bürgerliche Jugendbewegung, die sich seit ungefährt 1896 aus Berlin kommen über ganz Deutschland und darüber hinaus verbreitete. Aus ihr heraus entstanden Reformpädagogik, Lebensrevormbewegung, Freikörperkultur und eine Auseinandersetzung mit der musikalischen Tradition. Sie brachte auch wichtige Impulse in der Organisierung der Arbeiterjugendbewegung.

Besonders das führende Liederbuch der inzwischen als „Wandervögel“ bezeichneten Bewegung, der „Zupfgeigenhansl“ brachte einerseits Rückbesinnung auf das Volkslied und den Volkstanz und andererseits eine Einbeziehung von Instrumenten mit sich. So wurde in erster Linie die Gitarre oder gitarrenartige Laute (Klampfe) in den meisten Liederbücher mit einer kurzen Beschreibung und einigen Griffen bedacht. 1911 war es beim „Zupfgeigenhansl“ der Dirigent des Münchener „Mandolinenclubs 1893“, Heinrich Scherrer, der die Erklärungen am Ende des Buches verfasste. Eine Vorgehensweise, die die meisten der anderen Liederbücher übernahmen, egal ob in Deutschland, in Österreich oder der Schweiz. Der „königlich-bayrischer Kammervirtuos“ machte sich auch unvergesslich, durch seine „empfindsam auskomponierte Gitarrenstimme“ (Henke) in einigen anderen Liederbüchern (z. B. „Studentenlieder zur Gitarre“). Bei einigen Jugendlichen war auch schon einmal eine Geige oder eine Mundharmonika dabei und etwas später kamen Mandoline, Waldzither, Bandonion oder Akkordeon hinzu.


Die (versuchte) Gründung eines zentralen Verbandes 
Julius Huber (geb. 1887) initierte ab 1912 mit Hilfe seiner Zeitschrift „Modernen Musik“ ein erstes Mandolinenorchester-Treffen. (Henke, S. 52) Karl Boß, Leiter der „Mandolinengesellschaft Nürnberg“, schlug als Ort, wie konnte es anders sein, Nürnberg vor, was aufgrund seiner enormen Aktivitäten auch mehrheitlich beschlossen wurde. Ein eigens gegründeter „Mandolinenkongreßverein Nürnberg 1913“ organsierte das Treffen, das als erster Mandolinisten- und Gitarristenkongreß Deutschlands im September 1913 stattfand. Der Kongress war einerseits von einer Reihe von Konzerten und andererseits von intensiven Diskussionen geprägt. Ziel der Gespräche war die Gründung eines „deutschsprachigen Zentralverband der Mandolinisten“ (Boß 1924, S. 10. 19 und 22, hier nach Henke)

Der in Nürnberg 1913 entstande „Zentralverband“ begann damit, die regionalen Mandolinenvereine in einer Dachorganisation zusammenzufassen, was in Etappen später auch gelang. Doch der Erste Weltkrieg verhinderte vorerst die Gründung. Der Plan eines „deutschsprachigen Zentralverbandes der Mandolinisten“ wurde aber auch durchkreuzt durch die Umbenennung und Separierung des norddeutschen Mandolinistenbundes, der sich analog zum Arbeitergesang- und –turnvereinen am 14. Dezember 1913 in einen norddeutschen Arbeitermandolinistenbund umbenannte.
Die Entstehungsgeschichte des Zentralverbandes ist leider nicht ausreichend dokumentiert, so dass sich einige Lücken auftun. Die einzige ausführliche Berichterstattung eines Zeitzeugen ist Henke zufolge die von Karl Boß („Die Mandolinen-Musik vor und nach dem Kriege“, Nürnberg 1924)


Mit Klang und Zupf in die Republik
Als nach dem Krieg „die einstigen Landstraßenkämpfer“ in „Scharen in die Mandolinenorchester“ strömten (Konrad Wölki), begannen die Überlegungen für einen Zentralverband wieder Gestalt anzunehmen. Karl Boß, Carl Henze, Paul Schuppe Felix Adam und Ferdinand Kollmaneck machten sich an die Gründung des „Deutschen Mandolinisten- und Gitarristen-Bundes“. Für den 6. Dezember 1919 wurde in Leipzig ein Kongress anberaumt, auf den sich die Delegierten auf eine provisorische Konstituierung des „Deutschen Mandolinisten- und Gitarristenbundes“ (DMGB.) einigten. Ein erster Bundeskongress fand vom 21.-23. August 1920 in Coburg statt. Es folgte die beschlossene Einrichtung von 11 Landesbänden, aus dem 1927 22 wurden. 1924 verzeichnete der DMGB bereits zehntausend Mitglieder. 1926 veränderte der Bund seinen Namen zu „Deutscher Mandolinen- und Gitarrenspieler-Bund e. V.“ Ab 1. Juli 1927 wurde das Bundesorgan „Chronik der Volksmusik“ von der „Bundeszeitung des D. M. G. B.“ abgelöst.

Im DMGB machten sich bereits zu Beginn der 1920er Jahre zunehmend rassische und rassistische Töne breit. Ausländische Musik wurde zunehmen abgelehnt, statt italienischer Serenaden und Kanzone verlegte man sich auf deutsche Volkslieder und man warnte vor einem schädlichen Einfluss jazziger „Negermusik“ (Henke, S. 62f.).


Der „Deutsche Arbeiter-Mandolinisten-Bund“ (DAMB)
1923 spaltete sich der „Deutsche Arbeiter-Mandolinisten-Bund (DAMB) vom DMGB ab, was sich eigentlich schon 1913 abgezeichnet hatte und durch die Umbenennung des „Norddeutschen Mandolinistenbundes“ in „Norddeutschen Arbeitermandolinistenbundes“ offenbar geworden war. Beim zweiten DMBG-Bundesfest im August 1922 in Leipzig wurde es vollzogen. Viele Arbeiter-Mandolinenspieler waren von den „bourgeoisen Tendenzen ihrer Organisation enttäuscht“ (Henke, S. 86).

Die Bundesleitung des DMGB kämpfte zwar noch eine Weile verbal dagegen an, und beharrte auf ihren „unpolitischen Charakter“ und die Ablehnung jeglicher „Parteienströmungen“, doch die Sache war beschlossen. An der Spitze des DAMB stand Erich Zielke, der sonderbarer Weise den USPD-Mann Gustav Henkel
angriff, der zum DMGB-Bundesvorstand gehörte. Der DMGB-Bundesvorstand wolle,

„daß sich die Orchester ausschließlich mit musikalischen Fragen beschäftigen und war schon damals bemühlt, ‚politische Neutralität’ zu propagieren. Die Gegensätze traten immer größer hervor. Die Forderung vieler Mitglieder, sich eindeutig als Arbeiterorganisation zu entwickeln, wurde auf dem Bundestag des DMGB 1922 in Leipzig endgültig niedergestimmt. Es bldete sich eine Opposition von 24 Vertretern aus Arbeiterorchestern, die vor allem vom Genossen Paul Zumbusch, Mitglied der KPD, geführt wurde. Sie ergriffen die Initiative zur Gründung des Deutschen Arbeiter-Mandolinistenbundes. Am 23. Februar 1923 
(90: Dagegen spricht Philipp Schweitzer in seiner „Entwicklungsgeschichte der Bundesbewegung in Jahreszahlen“, in: Jahrbuch 1934 des DMBG, S. 61, vom 23. Januar 1923, während Ebert 1971, S. 117, den 7. Januar 1923 nennt und obendrein den Orte präzisiert: „Berliner Wedding (Gerichtsschänke“.)
kamen Delegierte aus Sachsen-Anhalt (vor allem Magdeburg) und des bereits im Gebiet Berlin-Brandenburg bestehenden Arbeiterbundes zur Gründungsversammlung des Deutschen Arbeiter-Mandolinisten-Bundes in einem kleinen Berliner Lokal zusammen. Sie vollzogen damit eine klare Trennung gegenüber den angeblich neutralen, der bürgerlichen Gesellschaft dienenden Bestrebungen des DMGB und stellten sich das Ziel, ‚eine große deutsche Organisation der Zupfmusiker zu gründen, die als ein Bestandteil der Arbeiterkulturbewegung die musikalischen Belange der Arbeiterschaft vertreten sollte’“ (Zitat von Paul Zumbusch nach Henke, S. 86f.)

Künftig nahm der DAMB poliitsch eindeutig Stellung. So rief er immer wieder dazu auf, die KPD zu wählen. Die angeschlossenen Mandolinenorchester legten in der Regel die bürgerlich anmutenden Vereinsnahmen ab. So hießen sie nicht mehr „Alpenveilchen“, „Edelweiß“ oder „Silberdistel“, sondern nannten sich „Deutscher Arbeiter-Mandolinisten-Bund, Ortsgruppe XV“ (Vgl. Ebert 1971, S. 122.)

Ein großes Problem ergab sich für die Arbeiter Mandolinisten Ende 1923, als ein Kassierer in Berlin die Beitragsgelder veruntreute. Die Folge war ein neuer Vorstand mit Paul Zumbusch, ein fünfundzwanzigjähriger Schlosser, als Vorsitzenden und eine Verlegung der Hauptgeschäftsstelle nach Magdeburg in die Anhaltsstraße. Danach ging es in relativ geordneten Verhältnissen weiter. 1925 hatte der DAMB 2.600 Mitglieder. (Nach Ebert 1971, S. 117.

Der neugewählte Vorstand miete ein Büro in der Magdeburger an und gründete einen Verlag, der seit 1923 das Zentralorgan des Arbeiter-Mandolinistenbundes „Freier Zupfer“ herausgab. Der Schriftleiterr Otto Muni benannte 1925 die Intentionen des Blattes folgendermaßen:

„Einen größeren Raum wird die Musik, im besonderen die Zupfmusik, zu beanspruchen haben. Neben zielklaren Abhandlungen über Komponisten und Kompositionen, wissenschaftlich belehrenden Arbeiten, mögen auch unterhaltende Artikel erscheinen. Notenbeilagen sind eine Notwendigkeit. Konzertkritiken seien ein Spiegelbild des jeweiligen Standes der Mandolinen- und Lautenmusik. Um den Zweck unserer Zeitung zu vervollkommnen, ist die Bekanntgabe geeigneter Literatur nötig. Diese Aufgaben zu erfüllen, muß jeder Spielgenosse mitholfen. Er darf nicht nur Leser, sondern soll Mitarbeiter werden. Alle müssen ihre volle Arbeitskraft für die Erreichung unseres gemeinsamen Zieles ‚Die Kunst dem Volke’ einsetzten.“ (Henke, S. 87f. nach: Otto Munk, Zum Geleit!, in: Freier Zupfer, 3. Jahrgang, 15. Dezember 1925, Nr. 7, S. 1).


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