As ’ch wollt gehat dem Kejssers Eigres
Der Sohn als Fürbitter

1. As’ch wollt gehat dem Kejsser Ejzres mit sain ganze M’lyche,
wollt dos nit sain bai mir a sej grejs niche,
wie du binst bai mir niche, main Kind, main Schain!
As ich derseh dir, mejn ich, die ganze Welt is main!
Schlof, main Kind, schlof, main Kind,
sollst mir ruhen un sain gesynd.

2. Alle Brilljanten un alle Antiken
Kennen doch main Herz asej viel nit erquicken,
Wieviel du tust erquicken, main Licht, main Schain,
Mit dir we ich mejnen, as die ganze Welt is main!
Schlof, main Kind, schlof, main Kind,
Sollst mir ruhen un sain gesynd!

3. As du liegst un schlofst in dain Wiegel,
Stejhen gute Malochim un bedecken dir mit sejer Fligel.
Du, main Kind, binst main Licht, main Schain,
Mit dir wel ich mejnen – die ganze Welt is main!
Schlof, main Kind, schlof, main Kind,
Sollst mir ruhen un sain gesynd!

4. Der Tate hot das Kind nit gelernt, wos Gott hot geboten,
Wet men ihm af jener Welt brennen un broten;
Un du, main lieb Kind, mit daine Zidkes sollst sich mihen,
Dain Taten vun Geh’nem arojszuziehen.
Schlof, main Kind, schlof, main Kind,
Sollst mir ruhen un sain gesynd!

5. As ich wel amol darfen af jener Welt gejhn,
Welen die Tiren vun Gan-ejden offen stejhn.
Du, main Kind, sollst mir sain a frummler un a guter,
Wet men sogen af jener Welt : Lost arain dem Zaddik's Mutter !
Schlof, main Kind, schlof, main Kind,
Sollst mir ruhen un sain gesynd!

Andere Titel:
Text: unbekannt (trad.)
Melodie: unbekannt (trad.)
Vorlage:
Kategorie: Jüdisches Lied,
Zeit: 1918, 1920 und später
Geschichte / Kommentar: 

Das Wiegenlied haben wir der Liedersammlung „Ostjüdische Volkslieder“ von Alexander Eliasberg übernommen, der dazu folgenden Kommentar abgibt:
G. & M. Nr. 65. Kowno. [Heute Kaunas in Litauen]

Außerdem gibt er folgende Anmerkungen:
Str. 1, Z. 1: Ejsres Mehrzahl von Ejzor (h) = Schatz. Melyche (des Reimes wegen statt Meluche (h) = Königreich. Z. 2: niche (h) = ruhig; es is mir nice = es ist mir recht.
Z. 6: gesynd vgl. Anm. zu Nr. 10. Str. 2, Z. 1: Antik = Kostbarkeit. Str. 3, Z. 2: Malochim Mehrzahl von Malach (h) = Engel.
Str. 4, Z. 3: Zidkes (h) = Frömmigkeit. Z. 4: Geh’nem (h) = Gehenna, Hölle.
Str. 5, Z. 2: Gan-ejden (h) = Garten Eden. Z. 4: Zaddik (h) = der Gerechte.


Der deutsche Text lautet nach Eliasberg:

13. Der Sohn als Fürbitter
Des Kaisers Reich mit all seinen Schätzen / Wäre mir kein so groß Ergötzen,
Wie du es bist, mein Kind, mein Schein, / Seh’ ich dich, mein’ ich, die Welt sei mein!
Schlaf, mein Kind, schlaf, mein Kind, / Sollst mir ruhen und sein gesund!

2. alle Brillanten und die seltensten Stücke / Könnten mein Herz nicht so sehr erquicken,
Wie du es erquickst, mein Licht mein Schein, / Hab’ ich dich, mein’ ich, die Welt sei mein!
Schlaf, mein Kind, schlaf, mein Kind, / Sollst mir ruhen und sein gesund!

3. Wenn du liegst und schläfst in deinem Wiegelein, / Stehen die guten Engel und decken dich mit dem Flügelein.
Du, mein Kind, bist mein Licht, mein Schein, / Hab’ ich dich, mein’ ich, die Welt sei mein!
Schlaf, mein Kind, schlaf, mein Kind, / Sollst mir ruhen und sein gesund!

4. Der Vater hat das Kind nicht gelehrt, was Gott befohlen, / Darum wird man ihn auf jener Welt brennen auf Kohlen;
Und die wirst dich mit frommen Taten bemühen, / Deinen Vater aus der Hölle herauszuziehen.
Schlaf, mein Kind, schlaf, mein Kind, / Sollst mir ruhen und sein gesund!

5. Darf ich einmal in jene Welt eingehen, / So werden die Tore des Pardieses weit offen stehen.
Fromm und gut, mein Kind, sollst du immer sein, / Da wird's heißen: Laßt des Gerechten Mutter ein!
Schlaf, mein Kind, schlaf, mein Kind, / Sollst mir ruhen und sein gesund!

Das Lied hat auch Fritz Mordechai Kaufmann 1920 mit aufgenommen. Hier ist es allerdings deutlich kürzer

as'ch wolt g'hat d'm kæiß'rs Eizr'ß / mit sán ganz' mlich',
wolt duß gur nisch sán bá mir asoi groiß nich', / wi di binst bá mir nich', mán lecht, mán schán.
as 'ch dersæi d'ch, / dicht s'ch mir di ganz' welt is mán.
schluf mán kind, schluf má kind, / solst mir ri'n in sán g'sint.

2. der tat' hot duß kind nit g'lernt / wuß got hot g'bot'n,
wet m'n ‚m oúf jen'r welt / bren'n in brut'n
In di, mán kind, mit dán' zitk's solst s'ch mi'n / dán tat'n, fin g'hen'm aroúßzizi'n.
schluf, mán kind, schluf mán kind, / solst lang leb'n in sán g'sint.

3. as 'ch wel amul darf'n schtæi'n, / oúf jen'r welt græ'n
wel'n di tir'n fin ganæid'n of'n / In di mán kind solst sán a frim'r In a gilt'r
wet m'n sug'n oúf jen'r welt: / lost arán d'm zad'ks milt'r!
schluf, mán kind, schluf mán kind, / solst lang leb'n In sán g'sint.

Worterklärung und Kommentar Kaufmann:
a1] Eiz'ß - Schätze, Reichtümer. / a2) mlich - Königsgewalt, Herrlichkeit. / a3) nich' - teuer, lieg. / b5) zitk'ß - Frömmigkeit.
b6) g'hen'm - Tal des Wimmerns, Jenseits der Sündigen. / c3) ganzæeid'n - Tal der Wonne, Jenseits der Gottesfürchtigen.
c6 zad'k - Frommer, Gottgefälliger

Der Sinn des Liedes ist nur zu verstehen aus der geschlossenen, strengen und doch seligen Vorstellungswelt der ostjüdischen Frau. Musikalisch ist bei allen diesen Wiegenliedern zu beachten, daß die realistische rhythmische Bewegung des Wiegens und Schaukelns irgendwie hervorgebracht werden muß. Sie dürfen gewiß ruhig und sogar langsam gesungen werden, aber das bewegte, schaukelnde Zeitmaß darf nicht auseinander gerissen werden.
Kaufmanns Schreibweise ist allerdings recht kompliziert. Wir haben seine Texte kurz zusammengeschnitten [Hier].


Quelle:
Alexander Eliasberg, Ostjüdische Volkslieder, München 1918, Nr. 13, S. 52ff. und S. 224.
Kaufmann, Fritz Mordechai (Hrsg.). Die schönsten Lieder der Ostjuden, Berlin 1935 (1920), Nr. 13, S. 28f.,



 
 
 
 
 
 
0-Damenkap2b2.jpg
MVU     Wir über uns     Die Wissenschaftsentwicklung    Aufruf    
0-Juedische-Ldb-10d.jpg
 
 
 
A
J
S
B
K
T
C
L
U
D
M
V
E
N
W
F
O
X
G
P
Y
H
Q
Z
I
R
Home  
Aktuelles / Termine
Liederwerkstatt
Publikationen

Volksliedarchiv Lancken
Das Volkslied
Historisches Lied
Hochzeit und Ehestand
Berufständisches Lied
Kinderlied
Volkstanz
Heimatlied
Balladen
Sitte und Brauch
Tod und Begräbnis
Das erotische Lied
Jüdisches Lied


Arbeiterliedarchiv Lancken
Stichworte 
Zeit / Epoche 
Bauernkrieg,
Freiheitskriege,
Vaterland,
Heimat,
Hymne,
Polenlieder,
Deutsch-Französischer Krieg 1870-71,
Sedanfeier,
Handwerksburschen
Deutscher Bund (1815-66)
1848
Norddeutscher Bund (‘66-71)
DAS
Instrumentalmusik
Polenlieder
Vagabund Kunde Monarch
Vom Kaiserreich zum 1. WK
Soldatenlied

Weimarer Republik
Frontkämpferlied
Jugendbewegung
Partei / Gruppe
Sport - Radfahrer - Turner
Agitprop
Nationalsozialismus u. 2. WK
BRD
DDR
Liedverbote
Synonyme
Bauern - Landagitation
1. Mai / 8 Stundentag
Frauen / Emanzipation
Feiern, Fest usw.

Personen
Berufe / Geschäfte
Glaube / Einstellung
Liederbuch


















im e.V.
Musik von unten
Volksliedarchiv
Lancken
Reinh-4-6bx.bmp