A echter Radler  
    
    
        Mel.: Wiener Fiaker  
    
    
        
 
    
    
        I fahr a schneid’ges Radel,  
    
    
        Das neueste Fabrikat,  
    
    
        A so wia des tut laufen,  
    
    
        Des is a wahrer Schtaat;  
    
    
        A Reperatur, des gibt’s net,  
    
    
        So stark ist es gebaut,  
    
    
        Drum hab ich es halt gar so gern,  
    
    
        So lieb wie eine Braut.  
    
    
        Vom Klub nach Cannstatt fahr i’s  
    
    
        In zehn Minuten hin,  
    
    
        Da geht’s’s nur all’weil trapp, 
        trapp, trapp,  
    
    
        In einemfort galopp, galopp,  
    
    
        Und wann i dann so trepp’l:  
    
    
        Do g’spür i’s in mir drin,  
    
    
        daß i a feins Maschinerl hab,  
    
    
        Daß i a Sportsmann bin.  
    
    
        A Radler kann a jeder wer’n,  
    
    
        Aber ’s Fahr’n, des muß 
        verstanden wer’n.  
    
    
        Mei Stolz is mei Radel, des ist gar so flink,  
    
    
        A Maschinerl, so wie mer’s net alle Tage 
        find’t;  
    
    
        Mei Blut ist so liftig, so leicht wie der Wind,  
    
    
        I bin halt a echt’s Radlerkind.  
    
    
        
 
    
    
        2. So frei als wie a Radler  
    
    
        Ist kein Mensch auf der Welt;  
    
    
        Er fliegt als wie ein Adler  
    
    
        Von der Donau bis zum Belt.  
    
    
        Es ist ohn’ alle Sorgen,  
    
    
        Der Held bei einem Ball,  
    
    
        Drum sieht man ihn auch jederzeit  
    
    
        Als Liebling überall.  
    
    
        Der Tanzsaal glänzt voll Schönen  
    
    
        In jungfräulichem Chor,  
    
    
        Sie sehen all den Radler an:  
    
    
        „Das ist doch ’mal ein schmucker 
        Mann!“ 
 
    
    
        Wenn er im Tanz so flieget,  
    
    
        Das Mädchenherz erweicht,  
    
    
        Das ist wohl dann sein höchstes Glück,  
    
    
        Er hat das Ziel erreicht.  
    
    
        Er ist ein echter Herzensdieb,  
    
    
        Drum hat das Mädchen ihn auch lieb;  
    
    
        Ihr Stolz ist der Radler, der ist gar so flink,  
    
    
        A Tänzer, so wie mer’n net alle Tag 
        find’t;  
    
    
        Er hält sie im Arm und dreht sie geschwind,  
    
    
        Entzückt ist das liebliche Kind.  
    
    
        
 
    
    
        3. Und geht es ’naus zum Rennen,  
    
    
        Er um die Palme ringt,  
    
    
        Da zeigt er all sein Können,  
    
    
        Fährt pfeilschnell wie der Wind;  
    
    
        Dann heißt es erst ‚zum 
        Starten’,  
    
    
        Dann „Achtung“ – zwei – 
        drei – „los!“ 
 
    
    
        Und nun beginnt die tolle Jagd,  
    
    
        Fort saust der ganze Troß.  
    
    
        Das schöne Mädechen denket,  
    
    
        O wenn nur nicht passiert,  
    
    
        Es pocht das Herz ihm ungestüm,  
    
    
        Im Geiste steht es stets bei ihm.  
    
    
        Doch draußen geht es hopp, hopp,  
    
    
        Über Stock und über Stein;  
    
    
        Ein jeder will die Oberhand,  
    
    
        Will selbst der Erste sein.  
    
    
        Da plötzlich kommen sie in Sicht;  
    
    
        Des Mädchens Auge hell erblitzt,  
    
    
        Sein Schatz ist der Erste, der tritt noch 
        ’mal ein  
    
    
        Mit übersraschender Kraft in die Pedale 
        hinein;  
    
    
        ÜbersBand saust sein Rad in fliegender 
        Eil’,  
    
    
        Dem ersten Sieger: „All Heil.“ 
 
    
    
        
 
    
    
        4. Und geht es einst zu Ende  
    
    
        Mit meinem Lebenslauf,  
    
    
        So setz ich mir noch dieses  
    
    
        Im Testament g’wiß auf:  
    
    
        Mein Rad, es muß als erstes  
    
    
        Im Trauerzuge sein,  
    
    
        Dann kommt der ganze Radfahrklub,  
    
    
        Den lad’ ich jetzt schon ein.  
    
    
        Und wenn dann alles stille ist,  
    
    
        Am Grab nimmt trauernd teil,  
    
    
        So bring’ die ganze Radlerschar  
    
    
        Ein dorrnerndes „All Heil!“ mit dar;  
    
    
        Drauf werft ein Stückchen Erde  
    
    
        Als letzten Gruß mir nach;  
    
    
        Dann laßt mich in die Gruft hinab  
    
    
        Und schließet mir das Grab.  
    
    
        Und fährt die Seele in die Höh’,  
    
    
        So sag’ ich herzlich euch adieu,  
    
    
        Dann mach ’nen Spurt und bleib’ net 
        dahint’ 
 
    
    
        Und fahr’ um die Wett’ mit dem 
        flüchtigen Wind,  
    
    
        D’rauf ruf ich dem Petrus: „Mach auf 
        nur geschwind,  
    
    
        ’s kommt a Stuegerter Radfahrerkind!“ 
        
 
    
    
        
 
    
    
        Text: G. Göber, Radfahrerklub Stuttgart.  
    
    
        
 
    
    
        
 
    
    
        Quelle. Touren-Liederbuch 
        für Radfahrer. Landesverband Württemberg, o. J. [ca. 1897], 
        S. 33ff.  
    
    
        
 
    
    
        
 
    
      
    
        Der Bicyclist 
 
        
    
    
        Mel.: Wenn der Frühling kommt,  
    
    
        
 
    
    
        Wenn der Frühling kommt  
    
    
        Und der Schnee zerrint,  
    
    
        Wenn die Straßen sauber  
    
    
        Und passierbar sind;  
    
    
        Wenn’s nicht gar zu heiß 
 
    
    
        Und kein Regen gießt,  
    
    
        Hat die schönste Zeit  
    
    
        Der Bicyclist.  
    
    
        
 
    
    
        Er besteigt sein Roß,  
    
    
        Spiegelblank geputzt,  
    
    
        Fährt durch Wald und Flur,  
    
    
        Wo der Bauer stutzt,  
    
    
        Weil er nicht begreift,  
    
    
        Wie es möglich ist,  
    
    
        Daß so sicher fährt  
    
    
        Der Bicyclist.  
    
    
        
 
    
    
        Schmucke Dirne schaut  
    
    
        Ihn gar schelmisch an,  
    
    
        Sieh’ wie nett ist doch  
    
    
        Auf dem Rad der Mann;  
    
    
        Flink rollt er daher -  
    
    
        Doch indem er grüßt,  
    
    
        Ist vorüber schon  
    
    
        Der Bicyclist.  
    
    
        
 
    
    
        Er durcheilt im Flug  
    
    
        Manchen schönen Ort,  
    
    
        Einem Dampfroß gleich  
    
    
        Unermüdlich fort,  
    
    
        Bis am Ziel er ist,  
    
    
        Wo er nie vergißt,  
    
    
        Daß auch Durst bekommt  
    
    
        Der Bicyclist.  
    
    
        
 
    
    
        Fährt spazieren er,  
    
    
        Freut sich der Natur,  
    
    
        Sieht den Weg nicht an,  
    
    
        Den schon oft er fuhr,  
    
    
        Sieht den Stein auch nicht,  
    
    
        Der am Wege ist:  
    
    
        Kladderadatsch! liegt da  
    
    
        Der Bicyclist.  
    
    
        
 
    
    
        Das ging schnell, denkt er,  
    
    
        Stehet auf alsdann,  
    
    
        Sieht besorgt und ängstlich  
    
    
        Die Maschine an,  
    
    
        Wenn er nichts entdeckt  
    
    
        Und nichts dran vermißt,  
    
    
        Freut sich königlich  
    
    
        Der Bicyclist.  
    
    
        
 
    
    
        Hat er selber auch  
    
    
        Sich recht weh getan,  
    
    
        Kehrt sich wenig er  
    
    
        Oder gar nicht dran;  
    
    
        Schon beim Lernen heißt’s:  
    
    
        Wen ein Fall verdrießt,  
    
    
        Der wird nie ein  
    
    
        Guter Bicyclist.  
    
    
        
 
    
    
        Wettfahrt liebt er sehr,  
    
    
        Wenn er gut trainiert,  
    
    
        Und hat wenig Furcht,  
    
    
        Daß er da verliert;  
    
    
        Einem Pfeile gleich -  
    
    
        Wenn der Starter schießt -  
    
    
        Fliegt stets durch die Bahn  
    
    
        Der Bicyclist.  
    
    
        
 
    
    
        Doch zur Winterszeit  
    
    
        Ist er schlimm daran,  
    
    
        Weil im Freien draus  
    
    
        Er kaum fahren kann;  
    
    
        Selbst im Sommer schon,  
    
    
        Wenn der Regen fließt,  
    
    
        Bleibt betrübt zu Haus  
    
    
        Der Bicyclist.  
    
    
        
 
    
    
        Hieraus sieht man, daß 
 
    
    
        Sich zu Lust und Freud’ 
 
    
    
        Auch gesellet öfter  
    
    
        Etwas Schmerz und Leid;  
    
    
        Doch weil das auf Erden  
    
    
        Einmal Sitte ist,  
    
    
        Macht sich nichts daraus  
    
    
        Der Bicyclist.  
    
    
        
 
    
    
        Text: Stau, Bicycle-Klub Aachen.  
    
    
        
 
    
    
        Quelle. Touren-Liederbuch 
        für Radfahrer. Landesverband Württemberg, o. J. [ca. 1897], 
        S. 37ff.  
    
    
        
 
    
    
        Lexikon:  
    
    
        Der Bicyclist  
    
    
        Der Text aus einem Touren-Liederbuch für 
        Radbahrer zu Beginn der 20. Jahre des 20. Jhs. ist auf die Melodie 
        eines Frühlingsliedes mit gleichem Anfang („Wenn der 
        Frühling kommt, Von den Bergen schaut “) geschrieben worden, 
        das bereits 1834 aus Leipzig bekannt ist, aber auch in Westphalen und 
        Tirol verbreitet war. Mündliche Überlieferungen des 
        älteren Liedes sind - mit leichten Abweichungen - bis in die 
        siebziger Jahre des 20. Jhs. festgehalten.  
    
    
        
 
    
    
        Quelle: Sammlung der beliebtesten deutschen 
        Radfahrerlieder, (Enßlin & Laiblins Verlag) Reutingen o.J. 
        [ca. 1922], S. 37.