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Arbeiterliedarchiv
Lancken
im e.V.
Musik von unten
Es steht ein Wirsthaus an der Lahn

1,
Es steht ein Wirtshaus an der Lahn,
da halten alle Fuhrleut an.
Die Wirtin sitzt am Ofen,
die Gäste sitzen um den Tisch,
den Wein will Niemand loben.

2.
Die Wirtin hat auch einen Mann,
der spannt den Fuhleut’n selber an;
er schenkt vom allerbesten
Ulrichsteiner Fruchtbranntwein,
den setzt er vor den Gästen.

3.
Die Wirtin hat auch einen Knecht,
und was er tut, das ist ihr recht,
er tät gern carressieren;
des Morgens wenn erfrüh aufsteht,
kann er kein Glied nicht rühren.

4.
Die Wirtin hat auch eine Magd,
die sitzt im Garten und pflückt Salat;
sie kann es kaum erwarten,
bis daß das Glöcklein zwölfe schlägt,
da kommen die Soldaten.

5.
Und als das Glöcklein zwölfe schlug,
da hatte sie noch nicht genug,
da fing sie an zu weinen:
Mit ei, ei, ei und ach, ach, ach:
Nun hab ich wieder keinen!

6.
Und wer hat wohl dies Lied gemacht?
Zwei Soldaten auf der Wacht,
ein Tambour und ein Pfeifer.
Und wer das Lied nicht singen kann,
der fang es an zu pfeifen.



Andere Titel: 
Text: unbekannt,
Melodie: unbekannt,
Noten:
Vorlage:
Kategorie: Erotisches Lied,
Zeit: 1870 bis heute,
Geschichte / Kommentar:

Das Lied vom Wirtshaus und seiner Wirtin ist in seiner hier abgedruckten „harmlosen“ Fassung als rheinländisches Fuhrmannslied in die Liedgeschichte eingegangen. Doch bereits Strophe drei gibt Anlaß zur doppelten Deutung („kann er kein Glied nicht rühren“) und Strophe vier zeigt worauf die Magd wartet: auf die Soldaten. Den Grund dafür wird man sich denken können. Das Lied stammt genauso wie die derberotischen Varianten aus dem 18. Jahrhundert. Um 1750 war es „Wirtschaft an der Lahn“ betitelt, was der Deutung des Begriffs in jener Zeit bedeuten könnte, dass es sich nicht um einen Bewirtungsbetrieb, sondern um ein landwirtschaftlichen Betrieb gehandelt haben könnte (Karl Schustek, 1966). Diese Interpretation würde besonders auf einige sexuell anzügliche Strophen zutreffen. In diesen treten des öfteren Tiere auf, die auf kleineres Bauernhöfen gehalten wurden (Ziege, Huhn usw.).

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) kannte offensichtlich das Lied und sandte an Karl-August von Weimar einen Wirtinnenvers, was für die Popularität des Liedes seinerzeit spricht. Seite etwa 1870 ist das Lied von der Wirtin gedruckt nachweisbar. Die Flut der Liederbücher, die seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert auf die Deutschen hereinbrach ignorierte es dagegen überwiegend. Lediglich in einigen Kommersbüchern ist es anzutreffen. Anders sieht es in den Akten deutscher Gerichte aus, wo das Lied wiederholt vermerkt und geächtet worden war.

Am 22. Februar 1950 wurde eine Schellackplatte mit der Nummer 8046 aufgenommen, auf der statt eines Labels lediglich stand: „Nur für Herrenabende“. Will Höhne interpretierte darauf „das Wirtshaus an der Lahn in zweiundzwanzig eindeutig zweideutigen Strophen, die im Gegensatz zur historischen Vorgängerin im 4/4-Takt statt im 3/4-Takt gesungen wird.

Beliebt sind besonders Wort wie „picken“, „pflücken“, „glücken“ oder „segeln“ also solche, die sie auf „ficken“, „vögeln“ usw. reimen um die Deutung zu verdoppelt und ein heimliches Kichern oder lauthalses Brüllen zu provozieren.

1966 machte sich der Verleger Karl Schustek aus Hanau am Main die Zensur der Vergangenheit und die prüde Tabuisierung der westdeutschen Nachkriegsära zu nutze und gab ein Buch mit gut 600 Wirtinnenversen heraus. Seinem Beispiel folgte 1992 Erich Schmeckenbecher mit 16 Strophen aber vielen anderen „liderlichen“ Lieder durch die Herausgabe seiner „Arschgeige“. Doch auch im Deutschen Volksliedarchiv kann man eine ganze Reihe von Strophen finden, daraus hier drei Beispiele:

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Frau Wirtin hatt' ne zweite Magd, Die war schon alt und hochbetagt;
sie ließ sich nicht erweichen, Selbst wenn man zwanzig Mark ihr bot,
Tat man es nicht erreichen.

Frau Wirtin hat auch eine Tante Die größte Hure, die ich kannte.
Offiziere und Studenten, Die zahlten fünfzig Pfennige
und waren Abonnenten.

Frau Wirtin hat auch ein'n Pastor Der trug den Schwanz im Trauerflor.
Er konnt' es nicht vergessen, Daß ihm die böse Syphillis
die Eichel abgefressen.

Frau Wirtin hat auch einen Hirt, In dem hat sie sich schwer geirrt.
Er blies zwar die Schalmeien, Doch mit ‚Des Knaben Wunderhorn
konnt er sie nicht erfreuen.

In den erotischen Liederbuch von Hans Ostwald ist das Lied nicht enthalten, anders bei Schidrowitz, der fünf Strophen abdruckte, allerdings sind die ersten vier davon mit Erk-Böhmes Auswahl identisch.

Frau Wirtin hatt' ne zweite Magd, Die war schon alt und hochbetagt;
sie ließ sich nicht erweichen, Selbst wenn man zwanzig Mark ihr bot,
Tat man es nicht erreichen.


Auf die Melodie getextet:
Es hatt' ein Krämer einen Sohn (Vitriolöl) in: Emil Jacobsen Liederbuch für fröhliche Fälscher.



Disco
Will Höhne, Das Wirtshaus an der Lahn - Teil 1 und 2. / Nur für Herrenabende!, Label nicht genannt, Nr. 8046A, 22.2.50


Literatur:
A. Kretzschmer (Zuccalmaglio), Deutsche Volkslieder mit ihren Original-Weisen, Berlin 1838  Nr. 174, S. 309f.
Ludwig Erk u. Franz Magnus Böhme, Deutscher Liederhort, Bd. 2, Leipzig 1925. Nr. 858f, S. 653ff.
Leo Schidrowitz, Das schamlose Volkslied. Eine Sammlung erotischer Volkslieder, Leipzig 1925, S. 158.
Das Wirtshaus an der Lahn. Ein Volkslied, Verlag Karl Schustek, Hanau am Main 1966.
Rolf W. Brednich, Erotische Lieder aus 500 Jahren. Frankfurt a/M 1979, S. 58ff.
Erich Schmeckenbecher, Arschgeige, Frankfurt a. M. 1992, S. 45-48.
 
 
 
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